"Die Ankündigung der N-VA kommt eigentlich nicht überraschend." So sieht das Ivan De Vadder, Experte für Föderalpolitik beim flämischen Fernsehsender VRT. Nicht überraschend - das kann man so sehen, muss man aber nicht. Denn immerhin ist der Konföderalismus eigentlich doch das oberste Ziel der N-VA. Und dass die Partei das Thema vorläufig nicht anrührt, diese Abmachung innerhalb der Föderalregierung gilt nur für diese Legislaturperiode. Die meisten waren deshalb wohl auch davon ausgegangen, dass die N-VA im Hinblick auf die nächste Legislaturperiode den Konföderalismus wieder auf die Tagesordnung setzen werde. Halt für die anstehenden Wahlen.
Dem wird jetzt nicht so sein. Und warum De Vadder das nicht überrascht, begründet er auch. Das sei nur die Fortsetzung einer alten Strategie, die die Partei schon öfter angewendet habe: 2009 sei die N-VA eine etatistische Partei gewesen, die in der flämischen Regierung auch noch mit den Sozialisten der SP.A zurechtgekommen sei. 2014 habe sich die N-VA dann als rechte Wirtschaftspartei verkauft, und sei als solche auch in die Föderalregierung mit eingetreten, erklärt De Vadder.
Dann sei es zu den Anschlägen von Brüssel gekommen. Seitdem sind neben der Wirtschaft auch die Themen Sicherheit und Identität wichtig für die Partei geworden. Dass die N-VA diese drei Themen jetzt also auch als ihre drei Grundpfeiler für den Wahlkampf benennt, sei nicht verwunderlich. Denn die N-VA habe auch die richtigen Leute dafür, um glaubwürdig die Themen Sicherheit, Identität und Wirtschaft zu vertreten: Der aktuelle Innenminister Jan Jambon für die Sicherheit, Asylstaatssekretär Theo Francken für die Identität, und Finanzminister Johan Van Overtfeldt für alles, was Wirtschaft angeht.
Den Konföderalismus nicht zum Wahlkampfthema zu machen, sei auch ein geschickter Schachzug im Hinblick auf mögliche künftige Regierungskoalitionen. Auf föderaler Ebene sieht es ja nach einer Fortführung der derzeitigen Koalition aus N-VA, CD&V, OpenVLD und MR aus. Wenn es denn genügend Stimmen für diese Koalition geben würde. Was zurzeit nicht sicher ist.
Die CDH als zweite frankophone Partei mit ins Boot zu holen, könnte die Mehrheitsfindung erleichtern. Die N-VA weiß das, weiß aber auch, dass sich die CDH grundsätzlich an allen Forderungen nach mehr Konföderalismus stößt. Dieses Thema jetzt auszuklammern, könnte es der CDH erleichtern, die N-VA in einer gemeinsamen Koalition zu akzeptieren.
Und eins darf nicht vergessen werden. Bart De Wever selbst stellt klar, dass er sich noch keineswegs von der Forderung nach mehr Konföderalismus verabschiedet hat. Grund für die Zurückstellung des Themas jetzt sei auch, dass - wie De Wever in Het Laatste Nieuws sagt - "wir das Schicksal unserer Gemeinschaft nicht in den eigenen Händen halten. Wir wollen unseren politischen Gegnern keine Geschenke machen, indem wir den Konföderalismus als Wahlkampfthema setzen. Wir werden nach den Wahlen schon sehen, wie es damit weitergehen wird."
Kay Wagner - Archivbild: Nicolas Maeterlinck/BELGA