15. Januar 2015: Mitten im Zentrum von Verviers stürmen Polizisten ein Wohnhaus. Es fallen Schüsse. Amateurbilder, die damals um die Welt gingen, zeigen irgendwann undeutlich eine brennende Wohnung in einem der höheren Stockwerke. Am Ende sind zwei der Terroristen tot - erschossen von Polizeikugeln. Schon dieses Video lässt erahnen, dass diese Leute keine Waisenkinder waren. Die Bestätigung gab's wenig später von Thierry Weerts, dem Sprecher der Föderalen Staatsanwaltschaft. Die mutmaßlichen Terroristen hätten kurz davor gestanden, loszuschlagen. Nach derzeitigen Ermittlungen wollten die Verdächtigen gezielt Polizisten töten, sei es auf offener Straße, sei es in Polizeikommissariaten.
Wie man heute weiß, war Verviers ja nur der grausige Auftakt. Leute, die aus demselben Umfeld kamen, richteten zehn Monate später, am 13. November, in Paris ein Blutbad an. Und immer noch dieselbe Connection schlug dann auch am 22. März 2016 in Brüssel zu.
In Verviers war es aber auch schon ziemlich knapp, erinnerte sich später Föderalprokurator Frédéric Van Leeuw: Er sei davon überzeugt, dass damals in Verviers schon ein Szenario verhindert wurde, wie es dann leider zehn Monate später in Paris stattgefunden hat.
Mehdi Aida
In dieser konspirativen Wohnung quasi gegenüber des Vervierser Justizpalastes wurden unter anderem ein stattliches Waffenarsenal und auch Polizeiuniformen sichergestellt. Und natürlich Dokumente. Darunter waren anscheinend auch die Ausweispapiere eines gewissen Mehdi Aida. Das ist, wie man inzwischen weiß, der Vetter von einem der beiden in Verviers erschossenen Terroristen.
Dieser Mehdi Aida, der steht spätestens seit diesen Januartagen des Jahres 2015 quasi auf allen belgischen Fahndungslisten. Auf der Liste des Anti-Terror-Stabs OCAM wird Mehdi Aida in der "Kategorie 1" geführt. Der heute 24-Jährige stammt aus Molenbeek. 2014 reiste er zusammen mit seiner Frau und seinem Kind nach Syrien, um sich dort der Terrormiliz IS anzuschließen. Er gehört zu den 250 aus Belgien stammenden Syrienkämpfern, deren Konten inzwischen eingefroren wurden. Nach übereinstimmenden Medienberichten war Mehdi Aida auch innerhalb der Terrormiliz IS alles andere als ein kleiner Fisch. Am Ende sei er sogar der Hauptverantwortliche für die französischsprachigen Kämpfer gewesen.
Dieser Mehdi Aida hat sich irgendwann auf den Rückweg nach Europa gemacht. Das wussten die Sicherheitsdienste offenbar. Und er sei in letzter Zeit auch beschattet worden, berichten türkische Medien. Dabei sei irgendwann klar geworden, dass der Mann einen Anschlag plante; und da habe die Polizei dann zugeschlagen. Aida sei zusammen mit seiner Frau und seinen inzwischen zwei Kindern auf offener Straße festgenommen worden. Anscheinend war das schon am vergangenen Donnerstag.
Auslieferung nach Belgien?
"Nach dreijähriger Fahndung endlich gefasst", schreibt denn auch die Zeitung De Standaard. Die Festnahme wurde inzwischen auch aus belgischen Sicherheitskreisen bestätigt. Abzuwarten bleibt, ob Mehdi Aida jetzt nach Belgien ausgeliefert wird, oder ob ihm zunächst die Türkei den Prozess machen will. Nach belgischen Presseberichten könnte Aida schon in der kommenden Woche in einem belgischen Gefängnis sitzen; vielleicht wird dann auch seine Rolle innerhalb der Vervierser Terrorzelle deutlicher.
Vor einigen Tagen erst gab's auch neue Informationen über einen weiteren bekannten belgischen IS-Kämpfer. Hier ging es um Tarik Jadaoun aus Verviers, besser bekannt unter seinem Kampfnamen "Abu Hamza Al-Belgiki". Auch dieser Mann steht auf allen Fahndungslisten ganz weit oben. Er galt als der "neue Abaaoud", also als ein potentieller Organisator von neuen Anschlägen in Europa.
Anfang 2015, wieder im Zusammenhang mit der Terrorzelle von Verviers, hatte es zunächst geheißen, dieser Tarik Jadaoun sei einer der beiden erschossenen Terroristen, was sich dann aber als falsch erwies. Vor einer Woche jedenfalls hieß es, dass der 28-Jährige in der Schlacht um Mossul gefallen sei. Der meist gefürchtete belgische IS-Kämpfer wäre damit also tot. Die belgischen Sicherheitsdienste wollen die Info allerdings nicht so recht glauben. Es wäre nicht das erste Mal, dass Terroristen für tot erklärt werden, um sie aus dem Visier der Sicherheitskräfte zu nehmen. Bei Mehdi Aida ist die Sachlage da klarer: Er sitzt jetzt in einem türkischen Gefängnis.
Roger Pint - Illustrationsbild: Emre Tazegul/AFP