Willy Borsus hat Wort gehalten. Statt nach der Vereidigung seiner neuen Regierung am vergangenen Wochenende wie viele andere in den Urlaub zu fahren, hatte Borsus seine Minister zum Weiterarbeiten verpflichtet. Denn alle wissen: Die Zeit drängt. Nur 21 Monate bleiben den Politikern von MR und CDH, um vor den neuen Wahlen die Wähler von ihrer Koalitionsarbeit zu überzeugen.
Maßnahme Nummer eins: ein Kassensturz, und zwar ein ganz offizieller. Der Rechnungshof soll der Regierung schwarz auf weiß mitteilen, wie es finanziell in der Wallonie genau aussieht. Der neue Finanzminister Jean-Luc Crucke von der Neu-Regierungspartei MR begründete das wie folgt: „Wenn man ein Haus betritt, wie das für einen Teil der Regierung ja der Fall ist, macht man zunächst mal eine Bestandsaufnahme, ein Inventar. Man hört ganz unterschiedliche Dinge zum aktuellen Stand der Finanzen, und als zuständiger Minister möchte ich mich nicht auf das verlassen, was man sich so erzählt, sondern möchte ich mich auf ein Dokument stützen können, das von einer externen Organisation angefertigt worden ist. Einer Organisation, deren Kompetenz von allen anerkannt wird.“
Die Anfertigung eines Prüfungsberichts muss allerdings vom Parlament beschlossen werden. Damit muss die Regierungsmannschaft auf das Ende der Parlamentsferien warten, um ihr Vorhaben zu verwirklichen. Blockieren lässt sich das Team um den neuen Ministerpräsidenten Willy Borsus dadurch aber nicht. Am Terminkalender für den Haushalt des kommenden Jahres soll festgehalten werden. Mitte Oktober soll das Budget 2018 der EU-Kommission zur Begutachtung vorgelegt werden.
Maßnahmen gegen Vetternwirtschaft
Doch auch schon ganz konkrete Maßnahmen hat die neue Regierungsmannschaft beschlossen. Unter anderem:
- Das Personal in den Kabinetten wird um zehn Prozent verringert.
- Familienangehörige eines Ministers dürfen nicht in dem Kabinett des Ministers arbeiten, und das gilt bis in den zweiten Angehörigkeitsgrad (Eltern, Geschwister und Kinder).
- Sollte ein Mitarbeiter einer Einrichtung des öffentlichen Dienstes (OIP) einem Kabinett angehören, so muss er das in Vollzeit tun.
- Die Gehälter der Minister werden um zehn Prozent verringert.
Das sei für ihn kein Problem, sagte Pierre-Yves Jeholet, ebenfalls MR-Ministerneuling, Vizepräsident und Minister für Wirtschaft und Beschäftigung. "Es gibt eine Vereinbarung, auf die wir uns verständigt hatten. Und wir werden uns an die Vereinbarung natürlich halten. Wir müssen auch ein Beispiel vorleben."
Weitere Beschlüsse:
- Die Finanzierung der öffentlichen Einrichtungen soll klar kommuniziert und für jedermann einsehbar hinterlegt werden.
- Werbekampagnen öffentlicher Einrichtungen müssen zuvor das Einverständnis des zuständigen Ministers einholen, wenn mehr als 50.000 Euro ausgegeben werden sollen.
- Öffentliche Einrichtungen sollen außerdem nicht mehr als Sponsoren tätig werden dürfen, es sei denn, die Regierung habe das ausdrücklich erlaubt.
- Die Zahl der Dienstwagen wird verringert, neue anzuschaffende Autos sollen umweltfreundlich und vor allem keine Dieselfahrzeuge mehr sein. Jedes Kabinett muss mindestens ein Elektroauto besitzen.
Auch diese Fahrzeug-Maßnahme begründete Jeholet mit dem guten Beispiel, das die neue Regierung geben will. "Zumindest in meinem Bereich habe ich den Eindruck erhalten, dass es rund 40 Prozent zu viele Fahrzeuge gab. Bei anderen ist es weniger, bei den Kollegen zum Beispiel. Aber das Ziel ist es, zu rationalisieren. Wenn wir sparen wollen, sind alle Posten davon betroffen. Und ich glaube, dass man bei sich selbst anfangen muss."
Schließlich stellten die Minister noch Geld für die Schaffung von gut 100 neuen Krippenplätzen für die Allerjüngsten zur Verfügung. Auf Vorschlag von Agrarminister René Collin wurden 7,5 Millionen Euro als Hilfen für Landwirte bewilligt. Hier leidet besonders der Sektor der Viehzüchter unter den aktuell außergewöhnlich niedrigen Preisen.
Das alles wurde im Verlauf eines Vormittags beschlossen. Danach konnten die Minister in den Urlaub aufbrechen - zumindest hätten sie jetzt dafür Zeit. Die nächste Arbeitssitzung der Regierungsmannschaft ist erst für den 24. August terminiert.
Kay Wagner - Foto: Eric Lalmand/BELGA