Schwupps, da werden aus 120.000 Kilometern 70.000. Früher, als es noch mechanische Kilometerzähler waren, musste man kurbeln, wenn man nicht gerade eine Bohrmaschine bei der Hand hatte. Heute stöpselt man sich ein und die Zählerstände werden mit einer Software zurückgestellt - gewusst wie natürlich: "Schwupps" eben...
In Belgien ist eigentlich schon seit über zehn Jahren Schluss mit "Schwupps". 2006 wurde der "Car-Pass" eingeführt. Das ist ein offizielles Dokument, das jedem Gebrauchtwagen beigelegt werden muss. Das beinhaltet im Wesentlichen die Auflistung der Kilometerstände des Fahrzeugs. Man kann also nachvollziehen, wie viel der Wagen wirklich gelaufen ist.
Nur: So ganz wasserdicht ist das System offensichtlich immer noch nicht. Immer wieder werden Betrugsfälle bekannt. Eine besonders dreiste Geschichte wurde vor Kurzem in einem RTBF-Verbraucherschutzmagazin thematisiert. Gemeldet hatte sich ein François, der einen Gebrauchtwagen gekauft hatte. François bekam auch, wie es das Gesetz verlangt, den famosen Car-Pass. Nur habe er nicht ganz genau hingeschaut. Später, zuhause, habe er festgestellt, dass die Kilometerstände brav gestiegen sind: 15.000, 20.000, 40.000, dann aber plötzlich wieder: 20.000. "Schwupps", da waren 20.000 Kilometer verschwunden - und das sogar auf einem offiziellen Dokument.
Aber: Das ist dann doch nicht das Ende der Geschichte. Besagter François hat dann den Fall bei Car-Pass gemeldet, und dann ist auch die Werkstatt zur Rechenschaft gezogen worden. Denn: Das System erlaubt durchaus eine Rückverfolgbarkeit. Also: Wer den Kilometerstand ausgefüllt hat, kann später ermittelt werden.
Problem vor allem bei kleinen Unternehmen
Es ist so: Bei jedem Werkstattbesuch muss der Kilometerstand des betreffenden Autos an Car-Pass durchgegeben werden. Auf dieser Grundlage kann dann auch erst der "Ausweis" des Wagens erstellt werden. Car-Pass ist da natürlich darauf angewiesen, dass die Infos eben mitgeteilt werden. Nur läuft dieses offensichtlich auch nach mehr als zehn Jahren immer noch nicht so, wie es sollte.
Wie die Zeitung De Morgen am Montag berichtet, hat die Wirtschaftsinspektion den Werkstätten mal auf den Zahn gefühlt. Das Resultat ist ernüchternd: Drei Viertel aller überprüften Unternehmen kamen ihren Verpflichtungen nicht oder nur unzureichend nach. Entweder wurden die Kilometerstände zu spät durchgegeben, oder manchmal sogar überhaupt nicht. Und in einem von fünf Fällen waren die übermittelten Daten schlicht und einfach falsch.
"Unser Problem, das sind vor allem die kleinen Unternehmen", sagte Michel Peelman, Geschäftsführer von Car-Pass, in der VRT. Die großen Werkstätten und Reifenverkäufer, die arbeiteten in der Regel nach Vorschrift. Die kleinen, unabhängigen Betriebe indes, für die sei das System zu zeitaufwendig oder zu kompliziert - zumindest sagen sie das.
75 Prozent der untersuchten Betriebe durchgefallen
Car-Pass hat inzwischen doch mehr als nur eine Ahnung, wo da die Lücken im System sind. Die übermittelten Daten werden nämlich inzwischen nicht mehr nur "banal" registriert, sondern auch ausgewertet. Und da kämen dann auch schnell "auffällige Zahlen" ans Licht, einfach unlogische Entwicklungen. Und auf die betreffenden Unternehmen würden dann auch gezielt die Inspekteure angesetzt. Das erkläre denn auch die hohe Zahl, also, dass 75 Prozent der untersuchten Betriebe eben bei der Kontrolle durchgefallen sind: Besagte Werkstätten waren schon ausgewählt worden, weil es da einen Anfangsverdacht gab.
Eigentlich haben die Werkstätten ein Interesse daran, hier zu kooperieren. Bei fehlenden oder falschen Informationen drohen Geldbußen von 80 bis 24.000 Euro. In besonders schlimmen Fällen kann das Unternehmen sogar dicht gemacht werden.
Im Großen und Ganzen habe sich das System aber bewährt, zeigt sich der Werkstätten-Verband Traxio in De Morgen überzeugt. Vor der Einführung des Car-Passes habe es bis zu 60.000 Fälle von manipulierten Kilometerständen gegeben, jetzt seien es unter 2.000. Belgien plädiert jedenfalls schon seit längerem dafür, das System auf die ganze EU auszuweiten. Ein System wie den Car-Pass, das gibt es nämlich eigentlich so nur in Belgien.
Roger Pint - Bild: Michael Reynolds/EPA