Es dreht und dreht und dreht, das alte Kettenkarussell... Und wie eben bei dieser Jahrmarktsattraktion - sagen wir mal - die Kutsche zyklisch wiederkehrt, so landen eben auch einige Akten regelmäßig wieder auf dem Tisch der Regierung. Mit, offensichtlich, immer derselben Wirkung: Es gibt Knatsch. Im vorliegenden Fall geht es eigentlich um zwei Dossiers, die aber eng miteinander verbunden sind. Auf der einen Seite die geplante Senkung der Körperschaftssteuer, auf der anderen seine eine gleich wie geartete Vermögenssteuer.
Die erste Maßnahme ist naturgemäß eine Forderung des Wirtschaftsflügels der Regierung: N-VA und OpenVLD verlangen, dass die Betriebe entlastet werden, eben durch eine Senkung der Unternehmenssteuer. Die CD&V allerdings verlangt eine Gegenleistung: Im Gegenzug, auch zwecks Gegenfinanzierung, wollen die flämischen Christdemokraten, dass das Kapital mehr als bisher besteuert wird. Die CD&V mit ihrem starken Gewerkschaftsflügel sieht sich so ein bisschen als das "soziale Gewissen" der Regierung. "Und für uns ist Steuergerechtigkeit nunmal ein wichtiges Thema. Wer das nicht einsieht, der wird sehen, was er davon hat", sagt der CD&V-Vizepremier Kris Peeters.
Harte Worte von Kris Peeters
Diese harten Worte, die sind schon etwas älter. Ausgesprochen hat Kris Peeters sie schon vor einigen Monaten, im Oktober vergangenen Jahres, um genau zu sein. Damals wehte so ein Hauch von Krise durch das Brüsseler Regierungsviertel. Die CD&V wollte partout ihre Vermögenssteuer. Das ging so weit, dass eben dieser Kris Peeters sogar die Tür zugeknallt und die Regierungssitzung verlassen hatte. Damals hatte man beschlossen, nichts zu beschließen. Die Vermögenssteuer kam nicht, dafür aber auch nicht die Reform der Körperschaftssteuer. Man wollte an beiden Reformprojekten nochmal feilen, um sie dann, wenn sie ausgereift sind, wieder auf den Tisch zu legen.
Premier Michel hat sich da an einen alten Trick erinnert, der in der belgischen Politik schon oft funktioniert hat: Man nehme die zwei problematischen Akten, lege dann aber nochmal zusätzlich - sagen wir - 40 Maßnahmen auf den Tisch; plus den Haushalt für das kommende Jahr. Damit ist die Verhandlungsmasse groß genug, gibt es also ausreichend Stellschrauben. Und wenn der Kuhhandel - oder vornehmer: wenn das Geben-und-Nehmen - abgeschlossen ist, dann findet jede Partei eine Maßnahme, mit der sie sich identifizieren kann, gibt es also keinen Verlierer.
Soweit die Theorie. Diesmal hat das aber erstmal nicht geklappt. Premier Michel hatte die Vermögenssteuer der CD&V eigentlich schon entschärft. Ursprünglich stand eine Abgabe auf Börsenmehrwerte im Raum. Weil es dafür keine Mehrheit gab, hatte Michel eine Steuer auf Wertpapierdepots vorgeschlagen. Ein Wertpapierdepot, das ist eine Art Konto bei der Bank, über das jeder verfügen muss, der an der Börse spekulieren will. Bislang jedenfalls war von einem Steuersatz von 0,1 Prozent die Rede. Um den Mittelstand nicht zu treffen, sieht der Vorschlag einen Freibetrag vor. Hier steht eine Spanne von 200.000 bis 300.000 Euro im Raum.
OpenVLD unzufrieden
Das Ganze reicht der OpenVLD aber immer noch nicht. Die Liberalen würden diesen Freibetrag anscheinend am liebsten auf eine Million Euro anheben; heißt: Wer weniger als eine Million auf seinem Wertpapierdepot hat, der wäre von der Abgabe gänzlich befreit. Damit wären also nur noch die Superreichen betroffen. Ob das der CD&V-Forderung nach Steuergerechtigkeit noch entspricht, das muss sich erst noch zeigen. Die erwähnten "harten Worte" von Oktober 2016 haben wohl immer noch ihre Gültigkeit...
Um diese Kuh vom Eis zu kriegen, hat der Premierminister jedenfalls das ehrwürdige Schloss Val Duchesse in einen Beichtstuhl umwandeln müssen. Am Wochenende hat Charles Michel im Wesentlichen Einzelgespräche mit den Vertretern der diversen Koalitionsparteien geführt. Eben, um zu versuchen, mögliche Schnittmengen oder Kompromisslinien auszuloten. Doch auch eine letzte Sitzung mit den Vertretern aller Parteien ging am Abend nach fünfstündigem Gezerre erstmal ohne Ergebnis zu Ende.
In den nächsten Tagen will Charles Michel jedenfalls weiterhin versuchen, die Partner zu einer Einigung zu bewegen, um doch noch sein "Sommerabkommen" einzufahren. Ein erneuter Aufschub der Entscheidungen ist aber auch nicht auszuschließen - und dann dreht das Karussell eben eine neue Runde.
Roger Pint - Bild: Bruno Fahy/BELGA