Peraïta schickte ihren Anwalt vor. Der informierte schon am Montag die Abgeordneten des Brüsseler Stadtrats über die Entscheidung Peraïtas, überhaupt nichts vor dem Ausschuss am Dienstag sagen zu wollen. Gegenüber der RTBF begründete der Anwalt das wie folgt: "Frau Peraïta ist von der Justiz vorgeladen und angehört worden. Im Zuge dieser Ermittlungen wird völliges Schweigen verlangt. Weshalb sollte sie also im öffentlichen Raum, also vor dem Untersuchungsausschuss das wiederholen, was im Rahmen einer gerichtlichen Untersuchung doch eigentlich geheim bleiben soll?"
Den Untersuchungsausschuss hinter verschlossenen Türen tagen zu lassen, also unter Ausschluss der Öffentlichkeit, sei auch keine Lösung für das Problem, fügte Peraïtas Anwalt hinzu. Die Erfahrung habe gezeigt, dass es in solchen Situationen immer sogenannte Maulwürfe geben, die Informationen trotzdem nach draußen schleusen. Nein, er bleibe dabei: Aus Rücksicht auf die laufenden Ermittlungen werde seine Mandantin schweigen.
Schon am Montag regten sich darüber parteiübergreifend die Mitglieder des Brüsseler Stadtrats auf. Sogar aus der eigenen Partei gab es heftige Kritik. "Inakzeptabel!", reagierte Peraïtas PS-Parteikollege im Brüsseler Stadtrat, Ridouane Chahid. Und Fabian Maingain, Gruppenchef von Défi, erinnerte an die Regeln der Demokratie: Peraïta dürfe sich der legitimen Kontrolle des Untersuchungsausschusses nicht entziehen.
Am Dienstag folgten die Kollegen des Untersuchungsausschusses. Allen voran Brüssels PS-Cheffin Laurette Onkelinx kritisierte die Haltung ihrer Parteigenossin. Sich einem Untersuchungsausschuss zu entziehen, indem man nicht antworten würde, sei ein schwerwiegender Verstoß gegen die parlamentarischen Regeln.
CDH-Gruppenchef Benoît Cerexhe sprach von einem weiteren "Tiefschlag" in der Affäre um das Samusocial, blieb aber moderater. Er sagte: "Madame Peraïta muss unbedingt vor dem Untersuchungsausschuss erscheinen, um Klarheit in der Angelegenheit um das Samusocial zu bringen. Eine Einrichtung, die sie lange geleitet und die sie in die Katastrophe geführt hat. Wir erwarten, dass sie auf unsere Fragen antwortet."
MR-Gruppenchef Vincent De Wolf sprach von einem "besonders negativen Verhalten". Der Ecolo-Abgeordnete Alain Maron gab sich abwägend. Er sagte: "Ich glaube schon, dass wir ausreichende Mittel haben, damit sie auf eine bestimmte Anzahl von Fragen antwortet. Wenn es Fragen gibt, die für sie gefährlich in strafrechtlicher Hinsicht sind, wird sie zweifelsfrei das Recht haben, die Aussage zu verweigern."
Damit fasste er in seinen Worten das zusammen, was auch der Verfassungsrechtler Christian Behrendt von der Universität Lüttich sagt. Die RTBF wollte von ihm wissen, wer denn nun Recht habe in dem Fall? Darf Peraïta die Aussage verweigern? Oder muss sie antworten? Verfassungsrechtler Behrendt sagt: "Sie darf die Aussage verweigern, wenn es um Bereiche geht, in denen sie sich selbst beschuldigen könnte. Die also zu strafrechtlichen Maßnahmen gegen sie selbst führen könnten. Aber das Recht, grundsätzlich zu schweigen, hat sie nicht."
Wenn es um ganz unverfängliche Fragen geht, wie zum Beispiel: Wann wurde das Samusocial gegründet? Also um Fragen, die nichts mit einer eventuellen Schuld von Peraïta zu tun haben, dann gebe es kein Recht für sie, zu schweigen.
Bleibt abzuwarten, wie sich Peraïta tatsächlich im Ausschuss verhält, und wenn sie schweigen sollte, wie lange.
Eins ist jedenfalls sicher: Sympathien hat sie mit ihrer Ankündigung, schweigen zu wollen, bei den Ausschussmitgliedern nicht gewonnen.
Text: Kay Wagner - Foto: Bruno Fahy/BELGA