Konkret: Verdächtige hätten demnach gegebenenfalls bis zu 72 Stunden festgehalten werden können. Die dafür erforderliche Zweidrittelmehrheit wurde aber verfehlt. Und jetzt wirft die Koalition der linken Opposition vor, den Kampf gegen den Terrorismus zu untergraben.
Lange wurde über die Maßnahme diskutiert, debattiert, auch leidenschaftlich gestritten, auch die Justiz war in der Frage gespalten. Eben diese Frage kennt eigentlich mehrere Stufen
Soll die Maximaldauer des Polizeigewahrsams verlängert werden? Ja, antworten hier doch die meisten einhellig. Im Moment darf ein Verdächtiger höchstens 24 Stunden festgehalten werden. Zwar sieht das Gesetz Ausnahmen vor, die Prozedur gilt aber als sehr schwerfällig. De facto also 24 Stunden, in denen ein Verdächtiger verhört werden kann.
Das an sich ist schon ein ziemlich kleines Zeitfenster, hinzu kommt aber, dass das sogenannte Salduz-Gesetz garantiert, dass jeder von Beginn an über einen Rechtsbeistand verfügt. Der muss allerdings erstmal gefunden und kontaktiert werden. Das nimmt auch schon mal mehrere Stunden in Anspruch - und damit wird die Zeit fürs eigentliche Verhör nur noch kürzer.
Also: Die Möglichkeit zu schaffen, diesen Polizeigewahrsam gegebenenfalls auf 48 Stunden auszuweiten, das würden wohl viele unterschreiben, da gibt’s auch eine entsprechende Nachfrage von Seiten der Justiz.
Die Regierung wollte aber noch einen Schritt weitergehen, und das ist eben die zweite Stufe: Der Vorschlag der Mehrheit sah eine grundsätzliche Verlängerung des Polizeigewahrsams auf 48 Stunden vor. Bei Terrorverdacht konnte diese Frist aber noch einmal verlängert werden auf maximal 72 Stunden. Und an eben diesen 72 Stunden schieden sich dann die Geister, genau gesagt an der dafür erforderlichen Prozedur. Grob zusammengefasst sahen die Kritiker die Gefahr, dass die von der Regierung vorgeschlagene Regelung allzu schnell Formfehler produzieren könnte.
Fakt ist darüber hinaus, dass viele Anwälte und Magistrate eine Ausweitung des Polizeigewahrsams auf 72 Stunden als wenig sinnvoll erachten und die Maßnahme deswegen auch gar nicht gefordert hatten. Eben darauf berief sich denn auch die linke Opposition, genauer gesagt die Sozialisten und Grünen, sowie PTB und DéFI. Und das war also die Gemengelage: Von diesen Parteien gab's ein Nein! zur angestrebten Reform.
Da gab's nur ein Problem: Für die Ausweitung des Polizeigewahrsams auf bis zu 72 Stunden war eine Verfassungsänderung nötig. Artikel 12 der Verfassung musste revidiert werden, um genau zu sein. Naja, und dafür ist eben eine Zweidrittelmehrheit nötig.
Und da wusste jeder: Bei besagter Gemengelage kommt die nicht zustande. Zwar hatte sich die CDH von der Mehrheit ins Boot holen lassen, doch zieht man die Stimmen der bekannten Nein-Sager ab, dann landet die Regierung bei höchstens 97 Ja-Stimmen - drei zu wenig.
Etwas überraschend packte die Koalition dann doch die Brechstange aus und brachte den Vorschlag zur Abstimmung, mit dem wenig überraschenden Resultat, dass eben drei Stimmen fehlten. Heißt also: Gesetzesvorschlag abgelehnt...
Was glaubt die Mehrheit denn, sagte der ECOLO-Parlamentarier Gilles Vandenburre in der RTBF. Die Regierungsparteien hätten den Vorschlag quasi unverändert gelassen, also nicht mal Anstalten gemacht, auf die Opposition zuzugehen. Da müsse man sich doch nicht wundern...
Doch, ob nun absehbare Niederlage oder nicht: Die Regierungsparteien reagierten mit einer Mischung aus Kopfschütteln und Empörung auf die verlorene Abstimmung. "Die CDH hat sich doch sogar unserem Standpunkt angeschlossen", sagte der MR-Fraktionschef Denis Ducarme in der RTBF. "Wenn die linken Parteien bei ihrem Nein! geblieben sind, dann also, weil sie ideologische Scheuklappen aufgesetzt haben."
Und im vorliegenden Fall seien die Folgen geradezu dramatisch, sagt Ducarme. Mit ihrer rein parteipolitisch motivierten Blockadehaltung sorgten die linken Oppositionsparteien dafür, dass ein so wichtiges Instrument im Antiterrorkampf erstmal auf Eis gelegt werden muss. Das sei mehr als nur bedauerlich, sagt Ducarme:
Die Verlängerung des Polizeigewahrsams, das ist nur eine von insgesamt 30 Maßnahmen im Antiterror-Paket der Regierung. Und die Koalition hat offenbar nicht vor, die Idee jetzt zu den Akten zu legen. Man werde bald einen neuen Vorschlag hinterlegen, der in dieselbe Richtung geht, sagt Ducarme. Klingt irgendwie, als würden beide Seiten mehr denn je auf stur schalten...
RoP - Foto: Dirk Waem, belga