"Sexting ist die private Kommunikation über sexuelle Themen per mobile Messaging. Im engeren Sinn handelt es sich um Dirty Talk zur gegenseitigen Erregung." So definiert das Internet-Lexikon Wikipedia das Phänomen Sexting, das es schon seit ein paar Jahren gibt. Für Sexting wird gerne die Applikation Snapchat benutzt, ein Programm für Smartphones und Tablets, bei denen das Foto, das gesendet wird, nur wenige Sekunden zu sehen ist. Dann verschwindet es für den normalen Betrachter. Laut Snapchat soll es sich selbst zerstören.
Das Foto des Teenagers, der sich in Appelterre bei Ninove in Ostflandern vor den Zug geworfen hatte, war zuvor über Snapchat verbreitet worden. Bei Snapchat kann man Gruppen bilden, die sich untereinander Fotos zusenden. Von solch einer Gruppe wurde das Foto angeblich versendet. Kurz nach dem Tod des Teenagers wurde die Gruppe gelöscht.
Verzweiflungstat?
Die Staatsanwaltschaft hat sich noch nicht festgelegt, ob es wirklich einen Zusammenhang zwischen dem Selbstmord und dem Nacktfoto des Teenagers gibt, das zuvor per Snapchat die Runde machte. An Schoonjans von der Staatsanwaltschaft Ost-Flandern sagt lediglich, dass es starke Hinweise darauf gebe, dass es sich um eine Verzweiflungstat gehandelt habe. Staatsanwaltschaft und Polizei würden jetzt eng zusammen, um die genauen Umstände und Ursachen für den Tod herauszufinden.
In der flämischen Presse sorgt der Vorfall für viel Wirbel. Für die meisten Beobachter ist klar, dass der Selbstmord des Teenagers mit Sexting zu tun hat. Dass Jugendliche andere Jugendliche mit der Verbreitung von pikanten Fotos unter Druck setzen, ist bekannt. Auch soll es durchaus verbreitet sein, dass Jugendliche von anderen Jugendlichen dazu gezwungen werden, Nacktfotos von sich ins Internet zu stellen oder an andere weiterzuleiten, zum Beispiel per Snapchat.
Lehrer sind oft hilflos, wenn sie mit solchen Phänomenen konfrontiert werden. Das ist oft eine Generationenfrage. Die heutigen Jugendlichen sind mit Smartphones aufgewachsen. Für sie ist viel normal, was sich ihre Lehrer erst aneignen müssen.
Lehrer oft hilflos
Auch die Aufarbeitung des Selbstmordes eines ihrer Schüler hat die Schule in Ninove deshalb trotzdem nicht verzichtet. Marijke Van Bogaert als Sprecherin des katholischen Bildungswesens sagte in der VRT: "Natürlich haben wir in der Klasse die Sache angesprochen. Die Schüler haben die Möglichkeit bekommen, Fragen zu stellen. Darum hat sich nicht nur der Klassenlehrer gekümmert, sondern auch verschiedene Einrichtungen zur Betreuung von Kindern und Jugendlichen wie das CLB und das CAW. Man versucht also, so gut wie möglich ist, diese Schüler zu begleiten."
In wieweit Sexting dabei angesprochen wurde, sagte Van Bogaert nicht. Aber Child Focus, ein Verein, der sich dem Kampf gegen sexuelle Ausbeutung von Kindern sowohl im Internet und als auch im realen Leben verschrieben hat, hat bereits angekündigt, den Schulen zu Hilfe zu eilen. Child Focus will einen Plan aufstellen, wie Schulen künftig mit dem Phänomen Sexting umgehen, und wie Lehrer über das Phänomen mit ihren Schülern reden können.
Ein paar einfache Grundregeln nannte Dirk Depover von Child Focus in der VRT. Er sagt: "Wenn man ein Bild oder ein Video macht und das irgendwo hochlädt, dann besteht immer die Gefahr, - und das auch auf Snapchat, wo man eigentlich davon ausgeht, dass das Bild wieder verschwindet - dass das Bild irgendwo doch wieder auftaucht und weiterversendet wird. Also: Niemals Bilder irgendwo veröffentlichen, die man zum Beispiel auch seiner Oma nicht zeigen würde."
Kay Wagner - Illustrationsbild: Robyn Beck/AFP