Schockiert, dass man solche Gangster-Methoden gegenüber einem Abgeordneten anwendet, der nur seine Arbeit macht: Georges Gilkinet ist auch gegenüber der RTBF noch ungehalten über diese Computer-Spionage, die aller Wahrscheinlichkeit nach ihm galt. Davon geht zumindest Ecolo aus.
Der Informatik-Spezialist der Partei, Patrick Van Osta, hat sich mit den Datenspuren beschäftigt, die der Spionageangriff im System hinterlassen hat. Der Angreifer habe über das Konto des Abgeordneten, der auf den Trick reingefallen war, im Ecolo-Computersystem herumgeschnüffelt, und gezielt nach den Mails von Georges Gilkinet gesucht. Und auch nach Mails von info@anticor. Das sei ein Verein, der sich gezielt mit dem Kampf gegen Korruption beschäftigt.
Anticor beschäftigt sich auch mit der sogenannten Kasachgate-Affäre. Bei der geht es ja darum, dass 2011 ein belgisches Gesetz maßgeschneidert für den belgisch-kasachischen Milliardär Patokh Chodiev verabschiedet worden ist. Chodiev konnte sich dadurch aus den Klauen der belgischen Justiz freikaufen. Belgische und französisch Politiker sollen dabei ihre Hände im Spiel gehabt haben. Der Ecolo-Abgeordnete Gilkinet ist Mitglied des Untersuchungsausschusses der Kammer, der Licht in die Affäre bringen soll.
Doch dieser Untersuchungsausschuss ist gar nicht nach dem Geschmack von Chodiev. Der versucht schon seit einiger Zeit, die Arbeit des Ausschusses zu torpedieren, wie Ecolo-Co-Präsident Patrick Dupriez in Erinnerung ruft. Chodiev habe bereits eine Klage gegen Gilkinet eingereicht, habe jüngst auch den Präsidenten des Untersuchungsausschusses verklagt. Und vor einer Woche habe Ecolo erfahren, dass Chodiev eine Spionage-Agentur in den USA damit beauftragt habe, Informationen über Georges Gilkinet zu sammeln. Deshalb vermutet Ecolo jetzt, dass diese Spionageagentur ihre Arbeit aufgenommen und eben versucht hat, Gilkinet über seinen Computer auszuspionieren.
Was tatsächlich passierte
Wie wurde das gemacht? Gilkinet erklärt das so. Er habe eine Mail von einer Ecolo-Mitarbeiterin mit einem Anhang bekommen. Das sei ihm ungewöhnlich vorgekommen, er habe die Mail zurückgeschickt mit der Frage, ob diese Mail wirklich von der Absenderin komme? Diese habe gesagt: Nein. Das habe seinen Anfangsverdacht bestätigt. Eine ähnliche Mail habe er kurz darauf von Jean-Marc Nollet erhalten. Auch das komisch, weil sie bei Ecolo eigentlich so nicht arbeiten würden. Deshalb seien alle schnell zum Schluss gekommen, dass es sich um etwas Organisiertes handeln müsse.
Was tatsächlich passiert ist, rekonstruiert Ecolo wie folgt: Jemand habe mit einer gefälschten Mail zehn Ecolo-Politiker dazu aufgefordert, sich auf der internen Internet-Plattform von Ecolo ein Arbeitsdokument anzuschauen. In der Mail war ein Link auf diese Internet-Plattform, doch diese Plattform war gefälscht. Ein Abgeordneter merkte das nicht, und loggte sich mit seinem Passwort ein. Dadurch bekam der Spion ebenfalls das Passwort und konnte sich so in das Netzwerk von Ecolo einloggen. Dort suchte er dann nach den Mails, die Gilkinet bekommen und versendet hatte, und ebenfalls nach den Mails der Anti-Korruptionsvereinigung Anticor.
Angriff über TOR-Netzwerk
Wer diesen Angriff gestartet hatte, bleibt unklar. Der Angreifer benutzte das so genannte TOR-Netzwerk, ein spezielles Netzwerk im Internet. Über weitverzweigte Servernetzwerke ist es in TOR möglich, anonym zu bleiben. Der Ecolo-Informatik-Spezialist konnte für die Mails, die den Spionageangriff gestartet hatten, Server in der Ukraine, Kanada, Hong Kong und den Niederlanden ausfindig machen.
Ecolo will jetzt Klage gegen Unbekannt stellen und überlegt, ob die Partei Personenschutz für Gilkinet beantragen soll. Der Politiker selbst findet die Sache weiterhin unglaublich. Auch für ihn ist klar: Wenn Anticor und er das Ziel des Angriffes waren, dann sei man schnell bei der Kasachgate-Affäre - schon wieder mit außergewöhnlichen Methoden. Kasachgate sei sowieso schon eine Staats-Affäre. Aber auch eine Affäre mit Elementen, die eher an einen Krimi oder einen schlechten Roman erinnern würden.
Kay Wagner - Foto: Eric Lalmand/BELGA