Premierminister Charles Michel übergibt das neue NATO-Hauptquartier symbolisch dem Verteidigungsbündnis. Soldaten aus allen Mitgliedstaaten hissen zunächst die Fahnen der 28 Länder, dann wird die NATO-Fahne feierlich hochgezogen, zu den Klängen der NATO-Hymne. Das enorme Gebäude wurde seiner Bestimmung übergeben.
Diese symbolische Einigkeit hatte kurz zuvor noch einen riesigen Kratzer bekommen. Zunächst waren zwei Denkmäler eingeweiht worden, die beide mit der jüngeren Geschichte der NATO eng verbunden sind. Erst ein Stück der Berliner Mauer. Der Fall des Eisernen Vorhangs symbolisiert die Überwindung des Kalten Krieges.
Dann weihte US-Präsident Donald Trump eine Stehle ein, die an die Anschläge des 11. Septembers 2001 erinnert. Damit verbunden: die allererste Aktivierung von Artikel 5 der NATO-Verträge, also der Beistandsklausel. Donald Trump nutzte die Gelegenheit aber noch einmal für eine unerwartet beißende Kritik an einigen NATO-Partnern.
23 von 28 Mitgliedstaaten kämen ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nach. Und wenn man da noch die Vergangenheit mit in die Waagschale lege, dann schuldeten diese Ländern der Allianz viel Geld. Und damit auch dem Land, das seit jeher den Löwenanteil der Last trägt, den USA. Das sei nicht fair.
Damit hatte in der Form eigentlich niemand gerechnet. Zwar schwelt der Streit über die Lastenverteilung schon länger innerhalb der NATO, eigentlich hatte man aber geglaubt, dass man den US-Präsidenten zunächst besänftigt hatte.
Obendrauf kam dann noch etwas: Trump hat sich in seiner Rede nicht eindeutig zur Beistandsklausel bekannt, also zu besagtem Artikel 5. Das dürfte wohl vor allem im Osten Europas für spürbare Beunruhigung sorgen.
In seinem abschließenden Fazit ließ sich NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg aber nichts anmerken. Die NATO-Länder gelobten Besserung. Sie versprachen, die Rüstungsausgaben schrittweise zu erhöhen. Auf das Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes wollen sich viele aber nicht festnageln lassen. Insbesondere Belgien und auch Deutschland wollen erreichen, dass den Staaten auch andere Anstrengungen, etwa im humanitären Bereich, angerechnet werden.
Der Streit über die Lastenverteilung, der ist jedenfalls noch längst nicht beigelegt. Und den europäischen NATO-Partnern dürfte nochmal aufgegangen sein, dass -neues Gebäude hin oder her, im Moment 'der Wurm' in der Allianz ist.
Trump und die EU
Zuvor hatte Trump bei der EU offensichtlich schon einen ähnlichen Eindruck hinterlassen. Am Donnerstagmittag war er mit Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zusammengetroffen. Im Anschluss sah man eigentlich nur lange Gesichter. Trump rauschte kommentarlos davon. Als Ratspräsident Donald Tusk vor die Kameras trat, sah er immer noch nicht glücklicher aus. Zwar betonte er zunächst, dass man durchaus in vielen Punkten einer Meinung sei, wie etwa beim Kampf gegen den Terrorismus. Einige Fragen blieben aber offen, sagte Tusk - wie Klimaschutz und Handel. Zudem sei er "nicht hundertprozentig sicher", dass man in Sachen Russland eine gemeinsame Position habe.
Trump ist inzwischen schon auf Sizilien. Was bleibt, sind wahrscheinlich ziemlich verdutzte Europäer, die eigentlich gedacht hatten, dass sich der US-Präsident nach anfänglichem Gepolter wieder beruhigt habe. Das war wohl eine klassische Fehleinschätzung.
Keine Zwischenfälle beim Trump-Besuch
Nach Abreise von US-Präsident Donald Trump haben die belgischen Behörden erleichtert reagiert. Premierminister Charles Michel und auch Innenminister Jan Jambon zogen eine positive Bilanz der Ereignisse und bedankten sich ausdrücklich bei den Sicherheitskräften. Premier Michel brachte es mit zwei Worten auf den Punkt: "Mission erfüllt". Michel und auch Innenminister Jambon waren beide voll des Lobes für die Sicherheitskräfte; "es gab keinen einzigen größeren Zwischenfall", betonte Jambon.
Roger Pint - Bild: Christophe Licoppe (belga)