Zur Erinnerung: Die Affäre begann ja mit einem Skandal um Geld. Horrende Honorare sollen viele Aufsichtsratsmitglieder von Publifin erhalten haben für Sitzungen, an denen sie gar nicht teilgenommen hatten.
Dem ersten Skandal folgten weitere Enthüllungen über grundsätzlich überzogene Gehälter von Aufsichtsratsmitgliedern, von verschachtelten Strukturen, die es ermöglichten, die Reichen noch reicher werden zu lassen - für wenig Arbeit. Und schon gar nicht für Arbeit im Sinne der Kommunen.
Das alles soll jetzt anders werden, so fordern es die fünf Mitglieder des Untersuchungsausschusses. Auf den 46 Seiten ihres Berichts stellen sie immer wieder Forderungen auf, wie Publifin, ihre Töchter und allgemein interkommunale Unternehmen künftig geführt werden sollen.
Zentraler Punkt: die Entscheidungsgewalt zu bestimmen, was im öffentlichen Interesse ist, sollen wieder die lokalen Instanzen haben, sprich die Gemeinderäte. Ihnen hätte man die Entscheidungshoheit eigentlich auch nie abnehmen sollen, sagte Ausschussmitglied Patrick Prévot von der PS am Donnerstagvormittag.
Weitere Forderungen: Alle Aufsichtsratsmitglieder sollen ihre Honorare aus den vergangenen Jahren zurückzahlen. Das soll zunächst auf freiwilliger Basis geschehen. Erst in einem zweiten Schritt soll ein Gericht entscheiden, ob die Summen auch einklagbar sind.
Das maximale Jahresgehalt von Führungskräften in Interkommunalen soll künftig auf 245.000 Euro beschränkt werden. Möglichkeiten, dieses Gehalt durch andere Nebenverdienste aufzustocken, soll es nicht geben.
Ethikkommission
Eine Ethikkommission soll eingerichtet werden, um interkommunale Betriebe zu kontrollieren. So eine Kommission hätte es schon längst geben sollen. Dass es sie nicht gibt, ist eins der vielen Versäumnisse, die die Untersuchungskommission zu Tage gefördert hat.
Demnach hätten auch alle anderen Kontrollorgane bei Publifin versagt. Angefangen vom zuständigen Minister, über die gesamte Regierung, die Leitung der Interkommunalen und dem Management bei den Publifin-Firmen, allen voran Nethys.
Nethys habe auch einige öffentliche Aufträge unter fragwürdigen Umständen erhalten. Nethys sei allgemein zu einer Art Großunternehmen geworden. Um zu seiner eigentlichen Aufgabe zurückzukehren, solle sich Nethys von allen ausländischen Beteiligungen trennen.
Forderungen, die der Untersuchungsausschuss exemplarisch für alle Interkommunale mit ihren abhängigen Strukturen aufstellt, betonte Prévot.
Offene Fragen
Doch das ist noch nicht alles, was der Ausschuss fordert und als Schlussfolgerungen aus seinen 150 Stunden Anhörung von Betroffenen der Publifin-Affäre zieht. Der Ausschuss sei für fünf Monate eingerichtet worden, ein Drittel davon sei jetzt vorbei, erinnerte die Vorsitzende Olga Zrihen von der PS. Und auch Dimitri Fourny von der CDH sprach davon, dass es weitergehen werde. Es gebe noch offene Fragen, sie bräuchten Antworten.
Zur am Mittwoch bekanntgewordenen Klage der Nethys-Anwälte gegen die Ausschuss-Mitglieder äußerte sich Jean-Luc Crucke von der MR. Seine Worte waren ein Zeichen davon, wie überraschend eng die fünf Politiker unterschiedlicher Parteien aus Regierung und Opposition bei der Aufklärung der Publifin-Affäre zusammenarbeiten, und jegliches politisches Konkurrenzdenken anscheinend beiseite lassen. Crucke sagte: "Bezüglich der Vorladung vor Gericht, die wir erhalten haben, möchte ich sagen, dass die Solidarität, die zwischen uns vor der Vorladung geherrscht hat, auch während der ganzen Prozedur andauern wird. Und auch noch danach."
Auf den Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses darf man nach dem Zwischenbericht schon jetzt gespannt sein. Und danach vor allem darauf, was die Politik aus den Empfehlungen dann tatsächlich macht.
PTB distanziert sich von Zwischenbericht im Publifin-Skandal
Die frankophone Linke der PTB kritisiert den Zwischenbericht des Publifin-Untersuchungsausschusses. Die geforderten Konsequenzen aus dem Skandal gingen nicht weit genug, erklärten mehrere PTB-Regionalabgeordnete in der RTBF.
Laut Zwischenbericht sollen nur die Mandatsträger Sitzungsgelder zurückzahlen, die nicht an Sitzungen teilgenommen haben. Die PTB fordere jedoch, dass alle Mandatsträger ihre Sitzungsgelder vollständig zurückerstatten. Auch bei der Frage nach den Gehältern von Direktion und Verwaltungsrat sei der Ausschuss zu milde gewesen.
Insgesamt bezeichnet die PTB den Zwischenbericht als "Sicht der traditionellen Parteien". Sie distanziert sich damit von dem Text, obwohl die PTB dem Untersuchungsausschuss angehört. (rtbf/okr)
Jean-Luc Crucke von der MR dementierte indirekt. Der Bericht stelle klar, dass die Sektorenausschüsse selbst gar nicht hätten eingerichtet werden dürfen. Sie seien gleichsam illegal. Deshalb sei auch alles Geld, das ihre Mitglieder bekommen hätten, unrechtmäßig ausgezahlt worden. Alle Honorare sollten zurückfließen.
Polemik also um nichts? Der Bericht ist sowieso erst ein Zwischenbericht. Und dann obliegt es dem gesamten Parlament, die Forderungen des Ausschusses umzusetzen. Für Dimitri Fourny von der CDH ist allerdings schon jetzt klar: Ein kompletter Neuanfang muss her. Das betreffe auch das Personal.
Kay Wagner - Bild: Bruno Fahy/BELGA