Die Geschichte liest sich nach wie vor fast wie ein Agententhriller, der allerdings so viele verschiedene Handlungsfäden hat, dass man fast den Überblick verliert. Also mal grob zusammengefasst das, was die Ermittler schon herausgefunden zu haben glauben: Am Anfang steht demnach ein Waffendeal.
Rückblick
2011: Frankreich will Hubschrauber an Kasachstan verkaufen. Die Regierung in Astana stellt aber Bedingungen. Eine davon dreht um drei Geschäftsleute, die beste Beziehungen zum kasachischen Präsidenten unterhalten. Das Trio um den Belgo-Usbeken Patokh Chodiew hat Ärger mit der belgischen Justiz. Man sollte also dafür sorgen, dass sie sich nicht vor Gericht zu verantworten müssen. Der damalige französische Präsident Nicolas Sarkozy setzt Etienne des Rosaies auf die Sache an, seinen Mann fürs Grobe. Der wiederum übergab die Mission dem Sonderberater Damien Loras.
In der Folge wurden zwei Anwälte eingeschaltet: die Französin Catherine Degoul und der Belgier Armand De Decker. De Decker ist - ganz nebenbei - Staatsminister, unter anderem war er mal Senatspräsident - ein Mann mit dickem Adressbuch und besten Beziehungen zu den politischen Verantwortungsträgern in Belgien.
Es soll eben dieser Armand De Decker gewesen sein, der hinter den Kulissen seinen Einfluss geltend gemacht hat, um ein entscheidendes Gesetz auf den Weg zu bringen. Dieses Gesetz, das im Frühjahr 2011 tatsächlich in der Kammer verabschiedet wurde, ermöglicht einen gerichtlichen Vergleich. Gegen Zahlung einer Geldbuße wird also die Anklage fallen gelassen. Genau davon profitierte denn auch gleich das Trio um Patokh Chodiew. Die drei Geschäftsleute mussten nicht vor Gericht. Quasi postwendend kam dann auch das besagte Hubschraubergeschäft zwischen Frankreich und Kasachstan zustande.
Ende gut, alles gut? Wenn da nicht die französische Zeitung "Le Canard enchaîné" Wind von der Geschichte bekommen hätte. 2012 brachte das Blatt den ersten Artikel über die franko-belgo-kasachische Connection, veröffentlichte dabei auch brisante Dokumente, die nicht nur Armand De Decker, sondern auch französische Akteure bis hin zum damaligen Innenminister Claude Guéant schwer belasten.
Neuen Enthüllungen von De Standaard und Le Vif-L'Express
Von Anfang geisterte aber auch immer wieder der Name eines belgischen Schwergewichts durch die Kasachgate-Geschichte: Didier Reynders. Der MR-Politiker hat bislang aber jegliche Verwicklung bestritten. Diese Linie ist aber nach den neuen Enthüllungen von De Standaard und Le Vif-L'Express kaum noch zu halten. Beide veröffentlichen am Donnerstag zunächst einen Brief, der aus der Feder von Catherine Degoul stammt, also der französischen Anwältin von Patokh Chodiew. Sie wendet sich an Damien Loras, der sich im Auftrag des Elysée-Palastes um das Problem mit dem kasachischen Trio kümmerte.
Im Grunde gehe es hier um einen Streit um Honorare, sagt der Le-Vif-Journalist Thierry Denoël. Was allerdings bemerkenswert sei: Auf dem Schreiben seien mehrere Persönlichkeiten in Kopie gesetzt, der ehemalige französische Innenminister Claude Guéant, Armand de Decker und eben auch Didier Reynders.
Was macht Didier Reynders in Kopie auf einem solchen Brief? Die Frage ist insofern wichtig, als der Außenminister bislang immer behauptet hat, mit keinem der Protagonisten in der Akte Kontakt gehabt zu haben. Aber: Hat er den Brief überhaupt bekommen? Damien Loras, der Adressat, soll ausgesagt haben, dass er der Ansicht sei, die Anwältin habe nur Druck machen wollen und dafür einige Persönlichkeiten ins Feld geführt. "Mag sein", sagte der Journalist Thierry Denoël in der RTBF. Das erkläre aber immer noch nicht, warum da ausgerechnet Reynders auftauche.
De Standaard und Le Vif/L'Express bringen am Donnerstag aber noch eine zweite, neue Erkenntnis. Die französischen Ermittler haben nämlich die Terminplaner der Anwältin Catherine Degoul unter die Lupe genommen. Und im fraglichen Zeitraum, im Februar 2012, hat sie einen Termin notiert: In Brüssel - mit ADD und DR. ADD, das sei wohl Armand De Decker. "Und DR, naja, wenn das mal nicht die Initialen von Didier Reynders sind", sagt Thierry Denoël.
Jetzt werde jedenfalls deutlich, dass Reynders durchaus eine Rolle in der Kasachgate-Affäre gespielt haben kann, sagt der Vif-Journalist. Der Untersuchungsausschuss dürfte also einige Fragen an ihn haben.
Roger Pint - Bild: Thierry Roge/BELGA