"Nach unseren bisherigen Erkenntnissen planten die beiden Verdächtigen eine gewaltsame Aktion in Frankreich, die offenbar kurz bevorstand." - Ein Satz aus dem Mund des Pariser Anti-Terror-Staatsanwalts François Molins, bei dem es einem kalt den Rücken herunter läuft.
Marseille, Dienstagmorgen. Die französische Polizei hat eine Wohnung im Visier. Dort werden zwei mutmaßliche Terroristen vermutet. Einer der beiden kommt aus dem Haus... Zugriff! Beamte eines Sondereinsatzkommandos schnappen sich den Mann, der zweite wird wenig später im Treppenhaus festgenommen. Im Anschluss wird besagte Wohnung durchsucht.
Und dort finden die Ermittler dann ein doch beeindruckendes Arsenal. Staatsanwalt Molins präsentierte die Liste der Beweisstücke: Ein Maschinengewehr, zwei Handfeuerwaffen, Munition, ein Schalldämpfer und ein Jagdmesser, aber vor allem: drei Kilo Sprengstoff vom Typ TATP, von dem ein Teil auch schon einsatzbereit war. Eine Bombenwerkstatt also, wo TATP zusammen gerührt wurde, der Sprengstoff also, der unter anderem auch bei den Brüsseler Anschlägen zum Einsatz gekommen ist.
Festgenommen wurden ein 23-jähriger und ein 29-jähriger Mann. Beide waren als "radikalisiert" geführt. Kennengelernt hatten sie sich offensichtlich 2015 im Gefängnis. Zwar waren sie wohl damals schon auf einer Wellenlänge, nach dem derzeitigen Ermittlungsstand haben sie sich aber gegenseitig weiter in ihrem Wahn hoch geschaukelt.
Die Ermittler hatten beide schon seit Längerem auf dem Radar. Zunächst war der Jüngere ins Fadenkreuz der Ermittler geraten, Clément B., der vor zehn Jahren zum Islam übergetreten war. Seine Familie habe 2015 den Behörden mitgeteilt, dass der junge Mann verschwunden sei, offenbar mit dem Willen, nach Syrien zu gelangen, um dort in den Dschihad zu ziehen.
Verbindung nach Verviers und Lüttich
Zum Islam bekehrt wurde Clément B. nach Aussage von Staatsanwalt Molins also von Tschetschenen. Naja, "bekehrt" ist noch harmlos ausgedrückt. Ein tschetschenischer Hassprediger aus Verviers soll den damals 14-Jährigen radikalisiert haben, Clément B. soll nach Medienberichten seinerzeit auch einen Moment lang in Lüttich gewohnt haben.
Fakt ist: Ein erstes Mal sind die beiden den Ermittlern offensichtlich im vergangenen Monat Dezember noch durch die Maschen gegangen. Die Polizei hatte im nordfranzösischen Roubaix eine Wohnung durchsucht und dort unter anderem islamistisches Propaganda-Material sichergestellt. Immerhin konnte dadurch der zweite Verdächtige identifiziert werden, der 29-jährige Mahiedine M. Später habe sich herausgestellt, dass eben dieser Mann versucht habe, dem IS ein Video zu schicken, auf dem er sich zu der Terrororganisation bekennt.
Ermittlungen auch in Belgien
Seit dieser ersten Hausdurchsuchung waren die Männer extrem auf der Hut. Sie wechselten ständig ihren Standort, es ging quer durch Frankreich, Deutschland und Belgien. Clément B. habe dabei diverse Tarnnamen benutzt, sagte der Pariser Anti-Terror-Staatsanwalt, darunter auch den eines tschetschenischen Dschihadisten aus Verviers. Die belgische Staatsanwaltschaft habe daraufhin auch Ermittlungen eingeleitet, um mögliche Verbindungen zur belgischen Islamistenszene zu untersuchen.
Vor genau einer Woche geriet die Akte dann in eine Stromschnelle. Es wurde wieder ein Video abgefangen. Bei der Sichtung des Films gingen dann aber alle Alarmglocken: Es ist ein Bekennervideo. Zu sehen sind unter anderem eine Uzi-Maschinenpistole, die schwarze IS-Fahne und... die Titelseite einer Zeitung, die einen französischen Präsidentschaftskandidaten zeigt.
Das mag tatsächlich ein Indiz dafür sein, wie knapp es war: Die Terroristen standen wohl kurz davor, los zu schlagen. Und einer von ihnen hatte also ganz offensichtlich mehr als nur einen Bezug zu Belgien.
Roger Pint - Foto: Martin Bureau/AFP