"Vertrauen? Welches Vertrauen?" Der CD&V-Nestor Eric Van Rompuy bringt inzwischen auf allen Kanälen seinen Ärger zum Ausdruck. Von wegen: "So etwas habe er noch nie gesehen..." Um seinen Ärger zu erklären, hat er drastische Worte gewählt. Die provozieren doch nur, die machen es wie Trump, die wollen der Öffentlichkeit verklickern, dass nur sie die Guten sind. Reiner Populismus sei das.
"Die", damit ist die N-VA gemeint. Die Partei von Bart De Wever hat in den letzten Tagen tatsächlich mächtig auf den Putz gehauen. Erstmal war da die neue Staatssekretärin für Chancengleichheit, Zuhal Demir. Die prügelte auf den Koalitionspartner ein, als gäbe es kein Morgen. Die CD&V sei eine Moslempartei, die allerdings eben diese Moslems allenfalls als Stimmvieh benutze.
"Was ist los?", reagierten die Christdemokraten erstmal verdattert. Die Dame kann ja die Worte in den Mund nehmen, die sie will, sie kann auch versuchen, zu polarisieren, sagte später ein sichtlich gereizter CD&V-Chef Wouter Beke. Frau Demir sollte es aber unterlassen, anderen vors Schienbein zu treten.
Und auch Justizminister Koen Geens war im VRT-Radio hörbar sauer. "Was sind das denn für Zustände", sagte der CD&V-Politiker. "So was geht doch nicht! Wir müssen als Kollegen zusammenarbeiten. Die Frau - im Übrigen meine frühere Studentin - sollte sich mindestens im Ton mäßigen, sagt Geens. "Wir müssen doch als Kollegen zusammenarbeiten!". Damit hat Geens im Grunde schon alles gesagt. Genau hier sehen nämlich Beobachter das Problem. Zumal die Episode "Zuhal Demir" ja nur eine in einer ganzen Serie ist.
Anderes Beispiel
Die Saga um die Fatih-Moschee in Beringen. Die flämische N-VA-Innenministerin Liesbeth Homans will der Einrichtung die staatliche Anerkennung entziehen. Sie berief sich dabei auf einen Bericht des Inlandsgeheimdienstes. Allerdings: Eben diese Sûreté ließ später mitteilen, dass Frau Homans den Bericht offensichtlich recht eigenwillig interpretiert hatte.
Hatte Homans die Staatssicherheit etwa falsch zitiert? Die Frage wurde im zuständigen Ausschuss des flämischen Parlaments heftigst diskutiert. Es wurde sogar Sûreté-Chef Jaak Raes angehört. Der war über die ganze Geschichte so wenig erbaut, das er sogar das Wort "Bananenrepublik" in den Mund nahm.
Naja, aus Sicht des Inlandsgeheimdienstes sei es bestimmt nicht wünschenswert, wenn eigentlich geheime Berichte auf dem Marktplatz landen, versuchte Koen Geens, Aufsichtsminister des Inlandsgeheimdienstes, später die Aussage einzuordnen.
Kabbelkabinett. Mit einem großen "K". Und das auf allen Ebenen, wo CD&V und N-VA eigentlich zusammenarbeiten sollten.
Und das Ganze schien sich in den letzten Tagen eher noch hochzuschaukeln als zu beruhigen. das rief dann insbesondere die flämischen Arbeitgeber auf den Plan. Diese Regierung hat Sand im Getriebe, schlimmer, sie ist dabei, ins Koma zu fallen, beklagte Hans Maertens, Vorsitzender des flämischen Arbeitgeberverbandes VOKA. Im Radsport würde man sagen: Diese Regierung ist ein "chasse patate", ein Fahrer im renntechnischen Niemandsland...
"Chasse patate", wörtlich "Kartoffeljäger", wird man natürlich nicht gerne genannt, und erst recht nicht von einem Arbeitgeberchef, wenn man sich doch als Regierung eigentlich die tiefgreifende Neuordnung der belgischen Wirtschaft und des Arbeitsmarktes auf die Fahnen geschrieben hatte. Die OpenVLD-Vorsitzende Gwendolyn Rutten versprach denn auch gleich einen neuen "Wachstumspakt", der vor dem Sommer vorliegen werde.
Der VOKA-Chef bleibt aber skeptisch: "Wir brauchen JETZT ein Abkommen über die Flugrouten über Brüssel, JETZT eine Neuordnung der Unternehmenssteuer. Und JETZT ist auch der richtige Zeitpunkt", hämmert Hans Maertens. Wenn all diese Reformen jetzt nicht kommen, dann kommen sie nie.
Roger Pint - Bild: Thierry Roge/BELGA