Tom Boonen war am 9. April überall präsent, obwohl er noch gar nicht da war. Gesichtsmasken von dem Star. Sein Vorname auf zahlreichen Plakaten. Menschen und sogar Hunde, die ein Trikot ihres Idols übergestreift hatten. Eine Zeichnung des Gesichts von Tom Boonen wurde auf die Straße gemalt. Darüber der Name "Tom", darunter die Aufforderung "One more time", "Mach es noch einmal": Zu siegen bei dem Radklassiker Paris-Roubaix, ein Rennen, das Tom Boonen schon vier Mal in seiner Karriere gewonnen hatte.
Diese ist nun zu Ende gegangen. Und obwohl die Radfahrer noch weit von Templeuve in Frankreich nahe der belgischen Grenze entfernt waren, war die Stimmung schon gut. Wie zum Beispiel unter einigen Mädchen, die einem RTBF-Reporter in einem Wort sagten, was für sie Tom Boonen bedeutet: "Champion, total sympathisch, phänomenal, sehr nett, charmant, Paris-Roubaix, Liebe für die Ewigkeit." So verabschiedet man sich gerne.
Schon lange im Voraus hatte der Präsident des Radsportclubs im belgischen Templeuve Tom Boonen diese Party angekündigt. Ein Tom-Boonen-Dorf werde er in Templeuve auf französischer Seite organisieren, nur wenige Kilometer vom belgischen Templeuve entfernt, südlich von Lille. Viele französische, belgische und flämische Fahnen waren deshalb zu sehen, und schon früh zeigte sich der organisierende Clubpräsident Louis Cousaert zufrieden mit dem, was aus seiner Idee geworden war: "Ich glaube, jetzt sind schon ein paar tausend Fans hier. Und wenn Tom gewinnen sollte… Nicht auszudenken. Nun, es sind noch vier Stunden bis die Fahrer hier durchfahren werden. Ich glaube, das wird eine riesige Party werden."
Das dachten viele hier, und sie warteten auch nicht unbedingt alle darauf, dass die Fahrer endlich anbrausten. Für einen Bewohner von Templeuve ist das Ereignis eine Wucht. Er sagte: "20 Jahre wohne ich schon hier in Templeuve, und ich habe noch nie so viele Menschen auf einmal gesehen, um Tom Boonen zu feiern. Das ist wirklich außergewöhnlich für uns. Aber auch außergewöhnlich für Tom. Alles, was wir uns als Bewohner von Templeuve wünschen ist, dass Tom gewinnt. Ganz einfach. Das wäre ein großartiger Tag für uns."
Dann war es endlich soweit, die Fahrer rasten durch das Tom-Boonen-Dorf. 30 Sekunden hatte der Star Rückstand auf den Führenden, noch 33 Kilometer waren zu fahren. Ob das zu schaffen war? "Ich denke schon", sagte ein Fan. "Der Sieg ist noch möglich Das wird schwierig, aber möglich ist es. Wir glauben dran!"
Doch diesmal wurde es nichts mit dem Sieg. Tom Boonen hat das Rennen schließlich auf Platz 13 beendet. Im Tom-Boonen-Dorf waren natürlich einige Fans enttäuscht, die meisten aber nicht allzu sehr. Ein Mann meinte zum Beispiel: "Tom ist in unseren Herzen, das ist das wichtigste. Für uns muss Tom nicht immer gewinnen, um einfach Tom zu sein."
Im Vorfeld hatte Tom Boonen sich ja noch angriffslustig gezeigt, einen Sieg als Ziel ausgegeben. Doch nach dem Rennen war er versöhnlich mit sich selbst: "Letztlich bin ich zufrieden mit dem Ergebnis, zufrieden mit meinem letzten Rennen, und mit all den Leuten, die hier sind", so der scheidende Star.
Was er denn jetzt machen werde, wollte ein Journalist dann noch wissen. Boonen schaute kurz zur Seite, dann sagte er: "Ich werde jetzt mein Auto suchen." Und lachte.
Kay Wagner - Bild: David Stockman/AFP