Wieder sind die Zellen voll, eigentlich zu voll, und deshalb beginnt das Personal zu murren. 850 Plätze bietet das Gefängnis von Saint-Gilles, 900 Gefangen sitzen dort zurzeit ein. Zu viel, sagen die Mitarbeiter. Die Gewerkschaften haben deshalb einen Streik angekündigt. Den wollen sie zwar nicht unbedingt beginnen, aber es ist ihnen ernst.
Die Streikankündigung sei als ein Warnsignal zu verstehen, sagt Laurent Lardinois von der Gewerkschaft CGSP. Ein Signal, das sagen will: Stopp, das reicht! Und Lardinois begründet: Alle Einzelzellen würden gerade in Zellen für zwei Personen umgebaut. Das führe zu Spannungen unter den Insassen. Das Personal müsse immer häufiger eingreifen. Es sei nicht zu akzeptieren, dass die Zahl der Insassen ins Unendliche steige.
Zu viele Insassen
Am Donnerstag wollen sich die Gewerkschaftsvertreter mit den Verwaltungschefs des Gefängnisses treffen. Diese wollen sich vor der Sitzung nicht gegenüber der Presse äußern. Der Bürgermeister von Saint Gilles, Charles Picqué, aber sehr wohl. Er hat Verständnis für die Gefängnismitarbeiter. Gegenüber der RTBF sagte er: "Wir hoffen, dass der Minister auf die Forderungen der Gewerkschaften eingehen wird. Die Forderungen sind zumindest vollkommen gerechtfertigt. Sollte auf die Forderungen jedoch nicht eingegangen werden, werde ich eine Verordnung erlassen. Denn es ist richtig: Wir können keine neuen Gefangenen mehr aufnehmen. Man muss ganz im Gegenteil dafür sorgen, dass die Zahl der Insassen wieder sinkt."
Doch wie die Zahl der Insassen wieder sinken könnte, weiß keiner so recht. Bis vor ein paar Monaten konnte man noch welche in das zweite Gefängnis der Hauptstadtregion in Forest abgeben. Doch seitdem in Forest die Zahl der Plätze von 400 auf 180 reduziert worden ist und in das Gefängnis dort ausschließlich nur noch Verurteilte kommen dürfen, fällt Forest als Abnehmer von Insassen weg. Deshalb käme jetzt auch jeder, der in Brüssel festgenommen werde, ins Gefängnis von Saint Gilles. Daher die Probleme, sagt Gewerkschafter Lardinois.
Irgendwas läuft schief
Irgendetwas läuft also schief in Brüssel - vielleicht sogar in ganz Belgien. Entweder gibt es immer mehr Kriminelle, die man zumindest vorläufig ins Gefängnis stecken muss, oder die Gerichte arbeiten zu langsam oder es wird einfach nicht das nötige Geld in die Hand genommen, um neue Gefängnisse zu bauen.
Dass noch nicht einmal ein Jahr nach dem letzten großen Streik wieder eine Arbeitsniederlegung im Gefängnis von Saint Gilles droht, mehr oder weniger aus den gleichen Gründen wie damals, zeigt nur allzu deutlich, dass die Probleme von vor einem Jahr nicht wirklich gelöst worden sind.
Kay Wagner - Bild: Nicolas Maeterlinck/BELGA