Ein generelles Verbot von Wahlkampfveranstaltungen unter Beteiligung von ausländischen Politikern oder Ministern, dafür gebe es keine rechtliche Grundlage, sagt Außenminister Didier Reynders. Es gebe schließlich die Versammlungs- und Redefreiheit. Diese Rechte könnten alleine durch Sicherheitsbedenken eingeschränkt werden. Und diese Entscheidung sei Sache der Gemeinden. Hilfestellung für die Gemeinden gebe es insofern, als ja föderale Sicherheitsbehörden permanent die Lage bewerteten, etwa der Anti-Terror-Stab OCAM.
Und jetzt müsse man auch nicht so tun, als stelle sich die Frage zum ersten Mal, sagt Reynders. Politische Meetings auf belgischem Boden, das sei nun wirklich nichts Neues. Und, auf die Türkei bezogen: Es gebe auch regelmäßig Veranstaltungen der türkischen Opposition, was im Übrigen schon des Öfteren für Verstimmungen in Ankara gesorgt habe. Das alles nur um zu sagen: Die Versammlungs- und Redefreiheit, die werde hierzulande großgeschrieben. Einschränkungen seien eben nur dann möglich, wenn man die Störung der öffentlichen Ordnung befürchten müsse. Soweit also der derzeit gültige Rechtsrahmen.
Einigen ist das aber zu schwammig. Daniel Termont etwa, der sozialistische Bürgermeister von Gent, der beklagte am Wochenende, dass er sich vom Föderalstaat durchaus klarere Vorgaben wünschen würde. Nun, paradoxerweise will da ausgerechnet der Lieblingsfeind der Sozialisten Abhilfe schaffen, nämlich die N-VA.
Peter De Roover, der Fraktionschef der Nationalistenpartei in der Kammer, plädierte gestern im VRT-Polit-Frühschoppen "De zevende Dag" für eine deutlich härtere Gangart. Prinzipiell sei es seiner Ansicht nach "unangepasst", wenn ausländische Amtsträger in einem anderem Land Wahlkampf machen. Konkret: Belgien ist nicht der Ort, wo türkische Wahlen ausgefochten werden, sagte De Roover.
Deswegen wolle seine Partei eben auch so schnell wie möglich einen Gesetzesvorschlag hinterlegen, der genau das unterbindet. Auftritte von ausländischen Ministern in Belgien, das sei eine Einmischung in innere Angelegenheiten. Und man werde ein Gesetz einreichen, das so etwas verhindert, ohne mit der europäischen Grundrechte-Charta zu kollidieren, sagt Peter De Roover.
"Kommt nicht infrage", scheint da aber der CD&V-Vorsitzende Wouter Beke gleich zu erwidern. Wir werden doch, so hoffe er, jetzt nicht unsere Prinzipien von freier Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit mal eben über Bord werfen.
Und auch die OpenVLD, also der andere flämische Koalitionspartner der N-VA, kann dem Vorstoß nicht viel abgewinnen. Ein Auftrittsverbot für ausländische Mandatsträger, wie soll das gehen?, fragte sich etwa die OpenVLD-Politikerin Annemie Turtelboom. Es sei nicht unüblich, dass ausländische Politiker bei Wahlkampfmeetings zu Gast sind. Der niederländische Premier Marc Rutte etwa sei schon häufiger bei der OpenVLD aufgetreten.
Belgien ist das Land, in dem internationale Institutionen wie die EU oder die NATO angesiedelt sind. Ein solches Verbot wäre nicht nur schwer anwendbar, sondern auch schlecht für den Standort Brüssel. Und eben, weil die Situation in Belgien so besonders ist, droht hier am Ende Willkür, warnt Turtelboom. Sie wolle in jeden Fall vermeiden, dass es am Ende so ist, dass der eine reden darf und der andere nicht. "Nicht mit mir!", sagt die OpenVLD-Politikerin.
Anders gesagt: Die N-VA steht derzeit etwas alleine da. Bis auf weiteres bleibt es also dabei: Die Versammlungsfreiheit ist heilig, es sei denn, die öffentliche Ordnung ist gefährdet.
Roger Pint - Foto: Thierry Roge/Belga
Monsieur Reyndrers, le fossé entre vous, die weltfremde Politik, und den Belgiern ist nicht mehr zu überbrücken. Jetez un coup d'oeil sur LaLibre: "La question du jour - Faut-il interdire les meetings turcs dans l'Union européenne ? - Oui 87,7% - Non 7,1% - Sans avis 5,1% - 2408 votes". Noch Fragen?