Die Luftfahrtgemeinschaft läutet die Alarmglocke: Rund 60 Vertreter vom Brussels Airport - Arbeitgeber und Gewerkschaften - ziehen von Ministerpräsident zu Ministerpräsident, mit einer gemeinsamen Botschaft. Und die lautet "Flandern, Brüssel und Föderalregierung: Sucht endlich nach einer Lösung!".
Erste Station: der Amtssitz des flämischen Ministerpräsidenten Geert Bourgeois (N-VA). Hier legt die Brussels Airport-Karawane den ersten Halt des Tages ein. Rund 60 Vertreter von Flughafen, Airlines, Gepäckabfertigern, Zulieferbetrieben, Arbeitgebern und Gewerkschaften. Sie alle haben Angst, dass der aktuelle Konflikt Tausende Arbeitsplätze am Standort Zaventem kosten könnte. Deswegen lautet ihre Forderungen an die Politik: "Tut etwas, um dieses Problem ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen!"
"Der neue gesetzliche Rahmen muss Rechtssicherheit bieten, damit die Airlines wieder investieren können und zusätzliche Arbeitsplätze in Zaventem schaffen", sagt Hans Maertens vom Arbeitgeberverband Voka. Was der Luftfahrtgemeinschaft die größten Sorgen bereitet, ist die Unsicherheit. Was ist, wenn die Hauptstadtregion, die ihre Einwohner besser vor Fluglärm schützen will, tatsächlich ab Dienstag Nulltoleranz walten lässt und Bußgelder verhängt?
Kompromiss: Flugrouten abändern
"Wir sind zu einem Kompromiss bereit, könnten sogar die Bußgelder fallen lassen", sagt inzwischen Brüssels Umweltministerin Céline Fremault (CDH). Allerdings muss die Föderalregierung im Gegenzug die Flugrouten abändern. Die Kanalroute über das dichtbesiedelte Zentrum der Hauptstadt soll gestrichen werden. Und über dem Osten Brüssels sollen die Flugzeuge erst ab 7 Uhr morgens starten dürfen.
"Das soll ein Kompromiss sein? Das ist eine Provokation", meint Flanderns Ministerpräsident Geert Bourgeois. Der Grund für Flanderns Ärger: Setzt man die Vorschläge der Brüsseler Regionalregierung um, dann werden fast alle Flugzeuge bei Starts und Landungen in Zaventem über die flämischen Anrainergemeinden fliegen.
Nächster Halt: Brüsseler Regionalregierung. Ministerpräsident Rudi Vervoort (PS) will nichts von Provokation wissen. Natürlich vertrete jede Region zunächst ihre eigenen Interessen. Man müsse sich jetzt aber gemeinsam um einen Tisch setzen und nach einer nachhaltigen Lösung suchen, die sowohl dem Lärmschutz als auch der Wirtschaft zugutekommt. Denn das sei ihm bewusst, sagt Vervoort, Brussels Airport sei einer der wichtigsten Wirtschaftspole des Landes.
Letzte Station: die Föderalregierung. Auch hier betont man den Willen, zu einer nachhaltigen Lösung zu kommen. Verkehrsminister François Bellot merkt aber an: Es bringt nichts - wie seit 40 Jahren - das Problem nur von einer Region auf die anderen zu schieben. Man brauche eine nachhaltige Veränderung.
Verkehrsminister wollen am Wochenende im Fluglärmstreit sondieren
Wie der komplizierte Fluglärm-Streit gelöst werden soll, ist noch unklar. Der föderale Verkehrsminister François Bellot wurde inzwischen zum "Schlichter" erklärt. Am Wochenende wollen Bellot und seine Amtskollegen aus Flandern und Brüssel über die Lärmbelastung durch den Brüsseler Flughafen beraten. Premierminister Michel forderte alle Seiten auf, mutig zu sein. Es gelte einen Kompromiss zwischen wirtschaftlicher Entwicklung des Flughafens und Lebensqualität der Anrainer zu schaffen.
Am Montag soll dann eine Arbeitsgruppe mit den Beteiligten an einem neuen Kompromiss arbeiten, den Fluglärm am Flughafen Zaventem zu verteilen. Strittig ist weiter die Frage, wie viel Fluglärm die Brüsseler Innenstadt ertragen muss. Entsprechend weniger würde das flämische Umland belastet.
Vizepremier Alexander De Croo warnte vor überzogenen Erwartungen. Es sei unrealistisch anzunehmen, dass die Stadt Brüssel völlig vom Fluglärm verschont bleibe, so De Croo. Derzeit führten nur zehn Prozent der Flüge über die sogenannte Kanalroute über das Brüsseler Stadtgebiet.
Sollte das Treffen am Montag scheitern und die Region Brüssel wie geplant mit einer Nulltoleranz bei Verstößen gegen die Lärmbestimmungen beginnen, droht Flandern, einen Interessenkonflikt anzumelden. Mit diesem Instrument aus der Verfassung würde die Angelegenheit für 60 Tage auf Eis gelegt, um eine Lösung zu finden. Dann wäre bis zum 20. April für eine Lösung Zeit. Das Problem wäre aber nur aufgeschoben, nicht aufgehoben.
belga/akn/okr - Foto: Eric Lalmand/BELGA