Der Salafismus ist eine besonders fundamentalistische Auslegung des Islam. Eben diesem Salafismus wird auch die Staats-Ideologie von Saudi-Arabien zugerechnet. Der Golfstaat unterstützt aber weiterhin ungestört religiöse Einrichtungen in Belgien. Im Parlament forderten am Donnerstag sogar Abgeordnete der Mehrheit die Regierung auf, hier endlich was zu unternehmen.
Die "Große Moschee" in Brüssel, direkt am Cinquantenaire-Park, einen Steinwurf von den Europäischen Institutionen entfernt. Kaum ein Gebäude könnte das Problem besser symbolisieren, das jetzt in der Kammer für zum Teil hitzige Diskussionen gesorgt hat.
Die "Große Moschee" gehört quasi dem Staat Saudi-Arabien. In den siebziger Jahren machte König Baudouin das Gebäude dem saudischen Königshaus zum Geschenk. Formaljuristisch wurde die Moschee für die Dauer von 99 Jahren "in Erbpacht" gegeben.
In dieser "Großen Moschee" geben die Saudis den Ton an. Und mit ihnen ihre "Staats-Ideologie", der Wahabismus, der als eine besonders fundamentalistische Auslegung des Islam gilt.
"Fundamentalismus" ist hier fast wörtlich zu verstehen. Dieser Wahabismus ist eine Spielart des Salafismus. Und Salafismus, das bedeutet im Klartext, dass man sich auf die erste Generation von Muslimen zurückbesinnen will, die Menschen also, die den Propheten noch gekannt haben. Und diese "Urgemeinde", das ist sozusagen das große Vorbild.
Wahhabiten, oder allgemeiner gesprochen, Salafisten, stehen für eine radikale Ideologie, die die westliche Demokratie mit ihren bürgerlichen Freiheiten strikt ablehnt.
Dass eben vor diesem Hintergrund Salafisten weiterhin religiöse Einrichtungen in Belgien finanzieren können, dass könne so nicht weitergehen, sagte die OpenVLD-Parlamentarierin und frühere Justizministerin Annemie Turtelboom. Sie legte in der Kammer einen entsprechenden Resolutionsentwurf vor.
Ohne es ausdrücklich zu sagen, steht hier vor allem Saudi-Arabien am Pranger, mit seinem Symbol, der Großen Moschee. Allerdings beschränkt sich das Problem längst nicht mehr nur auf diese "Große Moschee".
Gerade erst warnte der Anti-Terror-Stab OCAM noch davor, dass immer mehr Moscheen und religiöse Einrichtungen vom Wahabismus vereinnahmt würden. Und diese radikale Strömung sei dabei, den gemäßigten Islam zu verdrängen.
Die salafistische Propaganda, die eben mit diesen ausländischen Geldern finanziert wird, das ist eine wahre Pest, sagte in der VRT auch Bart Somers, Parteifreund von Turtelboom. Er als Bürgermeister von Mechelen könne nur bestätigen, wie schädlich diese Agitation sei. Zumal hier ja auch noch eine totalitäre Weltanschauung verbreitet werde.
Und viele gemäßigte Muslime, die hätten darüber hinaus die Nase gestrichen voll von dieser radikalen Propaganda, die ja den Islam insgesamt nur weiter diskreditierten.
"Das sei ja wohl der Gipfel der Scheinheiligkeit", reagierte aber der SP.A-Vorsitzende John Crombez in der VRT. Jetzt auf einmal wollten die Liberalen diese salafistischen Geldströme trockenlegen. Als die Sozialisten vor einigen Monaten genau das vorgeschlagen hätten, seien die beiden entsprechenden Gesetzesvorschläge einfach vom Tisch gefegt worden.
Das allerdings will der Liberale Bart Somers nicht so stehen lassen. Das Problem sei einfach gewesen, dass besagte zwei Gesetzesvorschläge der SP.A juristisch nicht wasserdicht gewesen seien.
Genau hier liegt nämlich das Problem: Ein Gesetz zu formulieren, dass eine bestimmte Strömung einer bestimmten Religion betrifft, das grenzt an juristischer Spitzentechnologie.
Warum nennt man denn dann nicht wenigstens schonmal das Problem Saudi-Arabien beim Namen, wendet aber John Crombez ein. Er könne nur feststellen, dass Justizminister Koen Geens noch vor einigen Tagen freimütig eingeräumt habe, dass in Bezug auf Saudi-Arabien auch wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielten.
Tatsächlich hatte Geens angedeutet, dass man in Bezug auf Saudi-Arabien immer auch die wirtschaftlichen Interessen in Betracht ziehen müsse. Diese Haltung kann aber auch der Liberale Bart Somers nicht gutheißen. Wir dürften nicht unsere Freiheit auf dem Kommerz-Altar opfern.
Es mag also doch so aussehen, als hätten Mehrheit wie Opposition inzwischen dasselbe Problem erkannt, gegen das man jetzt also resolut vorgehen will. Deswegen sollten denn auch alle jetzt an einem Strang ziehen, sagt Somers. Hier gehe es nur um die Sache.
Roger Pint - Foto: Benoit Doppagne/Belga