Flugzeuge, die beim Start die vorgegeben Flugrouten über die Hauptstadt-Region nutzen und dabei zu viel Lärm machen, könnten dafür bald zur Kasse gebeten werden. Die Region Brüssel will ihre Einwohner vor zu viel Fluglärm schützen und plant ab dem 22. Februar eine Nulltoleranz in Sachen verschärfter Geräuschnormen.
Pro Übertretung werden 6.000 Euro Strafe fällig. Für die Airlines kann das ganz schnell ganz schön teuer werden. Ryanair-Chef Michael O’Leary hat bereits gedroht: "Sobald wir das erste Bußgeld zahlen müssen, streichen wir die Flüge ab Zaventem."
Die Drohung ist nicht aus der Luft gegriffen. Auch der belgische Ferienflieger Thomas Cook hat offen mit dem Rückzug aus Zaventem gedroht, genau wie mehrere Frachtfluggesellschaften. "Mehrere Tausend Arbeitsplätze am Brussels Airport sind in Gefahr", erklären Belgiens Arbeitgeber und Gewerkschaften in einer gemeinsamen Stellungnahme. Das hat Seltenheitswert.
Eigentlich hätten die verschärften Brüsseler Lärmschutznormen schon längst in Kraft treten müssen. Doch Flandern hat einen Interessenkonflikt eingelegt. Durch diese innerbelgische Prozedur kann eine Region den Beschluss eines anderen Teilstaats für 60 Tage auf Eis legen lassen, wenn sie ihre eigenen Interessen gefährdet sieht. Zeit um einen Kompromiss auszuhandeln.
Der Interessenkonflikt endet am 22. Februar – in knapp zwei Wochen also. Flandern bangt um Arbeitsplätze, erklärt der flämische Ministerpräsident Geert Bourgeois (N-VA). "Brüssel will nur die Vorteile des Flughafens, nicht die Nachteile", sagt Bourgeois. Und durch das unverantwortlich strenge Lärmgesetz werde jetzt die Wohlfahrt der gesamten Region aus Spiel gesetzt.
Brussels Airport ist nicht irgendein Standort in Belgien. Er ist der zweite Wirtschaftspol des Landes, nach dem Antwerpener Hafen. 60.000 Arbeitsplätze hängen direkt oder indirekt vom nationalen Flughafen in Zaventem ab.
"Das alles ist uns bewusst", sagt Brüssels Umweltministerin Céline Fermault (CDH). Allerdings seien nicht die Brüsseler Lärmschutznormen zum Schutz der Bevölkerung das Problem, sondern das Ausbleiben eines neuen Überflugplans der Föderalregierung.
Seit zwei Jahren warte sie auf einen neuen Verteilungsplan für die Starts- und Landungen ab Zaventem. Doch der föderale Verkehrsminister François Bellot habe nichts in Sachen Flugrouten unternommen, beklagt die Brüsseler Regionalministerin Fremault.
Aus dem Kabinett Bellot heißt es man arbeite an einem neuen Überfluggesetz. Alle Probleme könne das aber nicht lösen, da die Lärmschutznormen keine föderale Zuständigkeit sei, sondern eine regionale. Das erklärt auch, warum Flandern und Brüssel verschiedene Obergrenzen handhaben.
Rettung in letzter Sekunde hat möglicherweise der föderale Wirtschaftsminister Kris Peeters gefunden. Weil die Brüsseler Lärmschutzbestimmungen unvollständig sind und Dokumente der EU-Kommission nachgereicht werden müssen, könnten das strengere Gesetze erst in drei bis sechs Monaten in Kraft treten. Weitere wertvolle Zeit für eine Lösung auf dem Verhandlungsweg.
Kommt Zeit, kommt Rat. Im Grunde wollen die Menschen in Zaventem und Brüssel alle nur eins: Gewissheit darüber, wie es nun weitergehen soll.
Alain Kniebs - Bild: Thierry Roge/Belga