Franco, Valentina, Simona, Sandra - allesamt Ärzte, Mediziner, Forscher. Sie alle kennen Ahmadreza Djalali. Er ist ein Kollege, ein Freund, ein Lehrer, ein Vorbild für seine Studenten. Franco, Valentina, Simona, Sandra und noch viele andere - sie alle machen sich Sorgen um Ahmadreza Djalali.
Der Notfallmediziner gilt als Kapazität auf seinem Gebiet. Nicht umsonst ist Djalali auch Dozent, und zwar an der Freien flämischen Universität Brüssel, VUB. Gleichzeitig arbeitet er an der Uni-Klinik, dem UZ-Brussel. Arbeitete, muss man eigentlich sagen. Denn Ahmadreza Djalali ist seit mehr als einem dreiviertel Jahr von der Bildfläche verschwunden.
Ende April 2016: Der iranischstämmige Arzt ist in seiner alten Heimat unterwegs, will seine Familie besuchen. Auf dem Weg dahin wird er von Sicherheitskräften aufgegriffen und festgenommen. Ehe er sich versah, saß Ahmadreza Djalali in einem Teheraner Gefängnis - und dort ist er immer noch.
Angst vor Repressalien: Familie hielt still
Natürlich fiel an der VUB irgendwann mal auf, dass der Kollege fehlte. Man kontaktierte seine Frau. Die gab an, dass ihr Mann im Iran einen Verkehrsunfall gehabt habe und im Koma liege. Die Wahrheit kam erst viel später ans Licht.
Das folge dem klassischen Muster, sagte Philippe Hensmans von Amnesty International in der RTBF. Die iranischen Behörden übten in solchen Fällen häufig Druck auf die Familien von Inhaftierten aus, nach dem Motto: "Wenn Ihr an die Öffentlichkeit geht, dann macht ihr alles nur noch schlimmer".
Die Familie hielt also still und hoffte, dass doch wieder alles in Ordnung kommt. Vor einigen Tagen kam's dann noch viel schlimmer. In einem kurzen Telefongespräch informiert Ahmadreza Djalali seine Familie darüber, dass er wohl ein Geständnis unterschrieben habe und auf dieser Grundlage zum Tode verurteilt worden sei.
"Soweit wir wissen, hat Ahmadreza Djalali nie einen fairen Prozess bekommen, nicht mal einen Anwalt", sagt Philippe Hensmans. Anscheinend werde Djalali der "staatsfeindlichen Umtriebe" beschuldigt. Genau gesagt: Anscheinend wird Djalali der "Spionagetätigkeit" beschuldigt. Seine Ankläger werfen ihm vor, Kontakt zu Menschen gehabt zu haben, die Nationen angehören, die dem Iran nicht wohlgesonnen sind. Die Rede ist da wohl insbesondere von Israel und den USA. Nur, so gibt Ives Hubloue, der Chef der Notaufnahme im UZ-Brüssel, zu bedenken: "In unserem Job ist Zusammenarbeit das A und O und die Uni richte sich ja bewusst auch an ein internationales Studentenpublikum."
Auch Caroline Pauwels, die Rektorin der VUB, ist bestürzt. Das einzige Verbrechen, das man Ahmadreza Djalali zur Last legen könne, sei es doch, dass er anderen Menschen helfen wolle.
Online-Petition
Was tun, also? Einige Kollegen starteten Aufrufe im Internet, die unter anderem auf der Facebook-Seite von Ahmadreza Djalali veröffentlicht werden. Andere lancierten eine Online-Petition auf dem Portal change.org. Binnen kürzester Zeit wurden 65.000 Unterschriften gesammelt. Ziel sei ganz klar seine Freilassung, sagte einer der Initiatoren in der VRT: Zumindest müsse Ahmadreza einen fairen Prozess und einen Anwalt bekommen.
Auch Amnesty International will eine Unterschriftenaktion starten. Und wünschenswert wäre auch, wenn Außenminister Didier Reynders in dieser Sache aktiv würde und zumindest Klarheit fordere, meint Philippe Hensmans von Amnesty.
Die Zeit drängt: Nach dem Wenigen, was man weiß, könnte das Todesurteil schon in den nächsten zwei Wochen vollstreckt werden.
Roger Pint - Illustrationsbild: Benoit Doppagne/BELGA