"Ich bin die Mogler und Schummler in meiner Partei leid" - etwas mehr als elf Jahre ist es her, dass PS-Chef Elio Di Rupo dieses Machtwort gesprochen hat. Ein Jahrzehnt nach den Affären von Charleroi steckt die PS aber wieder mitten in einem Skandal. Die Politik als Selbstbedienungsladen: Das ist der Vorwurf an die Mandatsträger des interkommunalen Zweckverbands Publifin.
Die fürstlich entlohnten Posten in den Aufsichtsgremien von Publifin, Nethys und Co. haben zwar auch MR- und CDH-Politiker bekleidet, die Strippen werden aber von PS-Granden gezogen. Allen voran von Stéphane Moreau, Bürgermeister von Ans und Geschäftsführer von Nethys mit einem geschätzten Jahresgehalt von einer Million Euro…
Moreau muss sich entscheiden
"Herr Moreau muss sich entscheiden", sagt Di Rupo nach dem Parteivorstand am Montag. "Entweder er bleibt Bürgermeister von Ans oder Nethts-Chef. Beides zusammen jedenfalls geht nicht mehr."
Im Krisenmodus greift die sozialistische Partei zu drastischen Mitteln: 21 Maßnahmen, die verhindern sollen, dass es nochmal zu einem solchen Skandal kommt. So sollen die Regeln bezüglich der interkommunalen Zweckverbände verschärft, die Höchstgrenzen der Bezüge der PS-Mandatsträger spürbar gesenkt und die Ämterhäufung bekämpft werden.
Misstrauensvotum nicht zulässig
Das alles geht der Opposition im wallonischen Parlament aber nicht weit genug. Grüne und Liberale haben am Montagnachmittag einen Antrag auf Misstrauensvotum gestellt. Sie wollen, dass der zuständige Aufsichtsminister Paul Furlan zurücktritt. Der Mann sei nicht mehr tragbar, habe den Skandal nicht kommen sehen und sein stellvertretender Kabinettschef sei in die Publifin-Affäre verstrickt.
"Der wallonischen Regierung ist offenbar immer noch nicht die Tragweite dieses Skandals bewusst", wettert der grüne Abgeordnete Stéphane Harzée. Nicht nur, dass der zuständige Aufsichtsminister davon gewusst haben muss, die PS-CDH-Mehrheit habe es 2015 auch noch möglich gemacht, dass die dubiosen Sonderregelungen für Publifin und andere überregionale Interkommunalen verlängert würden.
Wie Parlamentspräsident André Antoine der Nachrichtenagentur Belga mitteilte, ist der Misstrauensantrag von MR und Ecolo gegen Furlan aber nicht zulässig. Das Sondergesetz zu den institutionellen Reformen sehe vor, dass im Falle eines Misstrauensantrags ein Nachfolger vorgeschlagen werden müsse. Auch stehe es nicht dem Parlament zu, die Zahl der Minister zu verringern. Die frankophonen Liberalen und Grünen hatten in ihrem auch Antrag gefordert, dass die Befugnisse von PS-Minister Furlan auf andere Kabinettsmitglieder verteilt werden sollten.
Weitere Rücktritte
Der mächtige PS-Verband in Lüttich hat die Brüsseler Parteiführung derweil schon gewarnt, nicht zu harsch mit den eigenen Leuten vorzugehen. Schließlich habe die derzeit so sehr verschrienen Publifin durch ihr Unternehmen Nethys 3.000 Arbeitsplätze im Lütticher Raum geschaffen. "Man müsse auch mal die positiven Aspekte von Nethys hervorheben", meint Frédéric Daerden.
Am frühen Montagabend wurde unterdessen bekannt, dass die Lütticher PS weiter in den Skandal verstrickt ist als bisher angenommen. Vier der fünf Mitglieder des Ethik-Rats des Lütticher PS-Verbandes stehen nämlich auf der Gehaltsliste von Publifin und/oder einem Tochterunternehmen. Sie sind soeben von ihren Ämtern zurückgetreten.
Die cdH hat derweil Cédric Halin in die Publifin-Struktur entsendet, mit dem Auftrag, herauszufinden, wie diese funktioniert. Er will dafür kein Geld und gibt sich 100 Tage. Halin ist Schöffe in Olne und war der Whistleblower in dem Skandal. Beruflich ist er Auditor am Rechnungshof.
belga/akn/mh - Bild: Benoit Doppagne/BELGA