"Man muss sich entscheiden: Entweder man ist Bürgermeister oder Schöffe, oder man leitet ein Unternehmen. Beides zusammen geht nicht". Klare Ansage von PS-Chef Elio Di Rupo. Und damit zündete am Donnerstag eine - wie sich später herausstellte - dreistufige Rakete.
Der Satz von Di Rupo stand noch im Raum, als die PS-Fraktionsvorsitzende in der Kammer, Laurette Onkelinx, am Donnerstagnachmittag von der VRT interviewt wurde. Angesprochen wurde sie unter anderem auf die vernichtenden Schlagzeilen in der flämischen Presse: "Wallonische Mafia", stand etwa in Blockbuchstaben auf Seite eins von De Morgen.
Sichtlich angeschlagen ließ Onkelinx ihrer Verbitterung und ihrer Wut, freien Lauf. Das Ganze ist eine Katastrophe, sagte Onkelinx. Erstmal für die Parteianhänger, die sich tagtäglich auf dem Terrain engagieren - meist ehrenamtlich - und dann auch für die PS-Politiker, die sich für die Menschen einsetzen, für die soziale Sicherheit, die Gesundheitsfürsorge, die Jobs... All das werde durch diese Geschichte in den Dreck gezogen.
Diese "Situation", wie es Laurette Onkelinx formuliert, das ist natürlich der Publifin-Skandal um die überzogenen Sitzungsgelder. Die Geschichte hatte in den letzten Tagen Ausmaße angenommen, die an die dunkelsten Zeiten der wallonischen Polit-Skandale erinnerte.
Handfeste Krise bei der PS
Paul Furlan, der wallonische Minister, der für die Aufsicht über die lokalen Behörden zuständig ist, war selbst ins Zwielicht geraten, als bekannt wurde, dass einer seiner engsten Mitarbeiter ebenfalls auf der Gehaltsliste von Publifin bzw. der Publifin-Tochter Nethys stand. Mit seinen Rechtsfertigungsversuchen hat der PS-Minister niemanden wirklich überzeugen können; und inzwischen hat sich das Ganze zu einer handfesten Krise entwickelt - insbesondere für die PS.
Zumal die Schlüsselfigur in dem Publifin-Nethys-Konstrukt ebenfalls ein Sozialist ist, mit Namen: Stéphane Moreau. Moreau gilt als der allmächtige Strippenzieher. Er ist nicht nur Bürgermeister von Ans, sondern auch Hauptgeschäftsführer von Nethys. Und - in der allgemeinen Wahrnehmung - steht dieser Moreau inzwischen stellvertretend für die undurchsichtigen Wirtschaftsgeflechte im Lütticher Raum, wo die Grenzen zwischen Politik und Business offenbar fließend sind.
Elio Di Rupo hielt sich zunächst noch vornehm zurück: Er wolle keine Namen nennen, das Ganze nicht an Personen festmachen. Er plädiere lediglich für Regeln, die dann für alle gelten sollen. Einige Stunden später war es dann aber mit der Zurückhaltung vorbei: Auf Stéphane Moreau angesprochen sagte Laurette Onkelinx eisig in das VRT-Mikrophon, dass er sich ihrer Ansicht nach zurückziehen müsse.
"Zurückziehen" - das bedeutet wohl mindestens, dass er eben eins der beiden Ämter aufgibt. Genau das sagte später auch ihr Parteikollege, der wallonische Ministerpräsident Paul Magnette, in der RTBF. Das müsse zur Regel werden, die für alle gilt, so betont Magnette. Es reiche nicht, allein das Problem Moreau zu lösen, um danach wieder zur Tagesordnung überzugehen. Deswegen auch das Versprechen: Er werde zusammen mit Paul Furlan und unter Einbeziehung der Opposition an allgemeinverbindlichen Regeln arbeiten und die auch so schnell wie möglich zur Abstimmung bringen.
Politisches Mandat kein "Win for life"-Los
Und dann noch ein bissiger Satz, der wohl - zumal im Lütticher Raum- bei dem einen oder anderen für Ohrensausen sorgen könnte: Dass einige Leute immer noch glauben, ein politisches Mandat sei ein Siegerlos bei "Win for Life", damit müsse Schluss sein.
Apropos "Win for Life", apropos Moreau: Am Freitag hat die Zeitung L'Echo den Nagel noch etwas tiefer eingeschlagen. Ihren Informationen zufolge bezieht der Chefberater von Stéphane Moreau bei Nethys ein Gehalt von 50.000 Euro pro Monat. Die Info dürfte den Druck noch einmal erhöhen. Moreau selbst reagierte noch nicht. Offenbar musste er am Mittwoch mit Herzproblemen ins Krankenhaus gebracht werden. Er erhole sich derzeit zuhause.
Roger Pint - Bild: Benoit Doppagne/BELGA