"Furlan muss zurücktreten. Das ist in jedem Fall ein politischer Fehler", wettert Pierre-Yves Jeholet von der MR. Oppositionskollege Stéphane Harzée von Ecolo ist genauso unbarmherzig in seinem Urteil: "Paul Furlan ist nicht mehr glaubwürdig, und damit als Minister nicht mehr tragbar." Scharfes Geschütz, das da von der Opposition im Wallonischen Parlament aufgefahren wird. Die unzweideutige Botschaft: "Paul Furlan muss weg!"
Paul Furlan stand in der Publifin-Affäre um überzogene Sitzungsgelder von Anfang an im Fokus. Er ist nämlich als Regionalminister zuständig für die "Aufsicht der lokalen Behörden", dazu gehören auch die Interkommunalen. Publifin, das ist eben so eine Interkommunale. Genau gesagt ist es eine öffentliche Finanzholding.
Als bekannt wurde, dass die Vorstandsmitglieder für Mandate in zweifelhaften sogenannten "Gebiets-" oder "Sektorenausschüssen" horrende Honorare kassiert haben, stand Furlan als zuständiger Aufsichtsminister schon in der Kritik. Fast schon peinlich war da, dass er sich als Aufsichtsminister auf die Feststellung beschränkte, "dass es da leider eben immer noch Leute gibt, die eben versuchen, die Regeln zu umschiffen". Die Opposition wertete diese Aussage als Armutszeugnis, nach dem Motto: Der Aufsichtsminister gibt zu, dass er im Grunde nur ohnmächtig zuschauen kann...
Furlan nicht mehr tragbar
Am Montagabend platzte dann aber die Bombe: Der beigeordnete Kabinettschef von Furlan, Claude Parmentier, reichte Hals über Kopf seinen Rücktritt ein. Gerade hatte die Wochenzeitschrift Le Vif-L'Express neue Enthüllungen veröffentlicht. Demnach ist eben dieser Claude Parmentier bei Publifin buchstäblich "mittendrin": Er bekleidete nicht nur ein Mandat in einem Verwaltungsgremium der Interkommunalen, sondern saß darüber hinaus noch im Vorstand der Publifin-Tochter Nethys. Für all diese Mandate bezog er Honorare in Höhe von 150.000 Euro brutto.
"Und erst recht vor diesem Hintergrund soll Furlan von den Praktiken bei Publifin nichts gewusst haben?", fragt sich die Opposition. "Das Ganze ist ein richtig dicker Hund", sagt Stéphane Harzée von Ecolo. Entweder Furlan wusste Bescheid - und das wäre schlimm - oder Furlan wusste nicht Bescheid - und das wäre genauso schlimm. Der Minister sei in jedem Fall nicht mehr tragbar...
Er sei wütend, tobte Pierre-Yves Jeholet von der MR, nein, fuchsteufelswild sei er. Schluss mit der Heuchelei. Hier werde die ganze politische Klasse in den Dreck gezogen.
Affäre erinnert an Skandal um die Carolorégienne
Inzwischen nimmt die Affäre Ausmaße an, die durchaus vergleichbar sind mit dem Skandal um die Carolorégienne, die Wohnungsbaugesellschaft von Charleroi. Besonders vernichtend fiel in diesem Zusammenhang die Einschätzung des Lütticher Politologen François Gemenne aus, der in der RTBF kein Blatt vor den Mund nahm: "Wir haben es hier mit einer Mafia-ähnlichen Struktur zu tun. Und das Prinzip ist einfach: Man nehme eine Gießkanne, und schütte über allen Parteien schöne Geldsummen aus. Das führt dann dazu, dass alle die Klappe halten", sagt der Forscher der Uni Lüttich. "Und die Spinne im Netz, das sei der Nethys-Chef Stéphane Moreau." Besagter Stéphane Moreau, der ist übrigens auch der Bürgermeister von Ans. Der PS-Politiker gilt als Duzfreund von Paul Furlan.
Scharfe Worte stehen da also plötzlich im Raum. Und vor allem eben der Verdacht, dass innerhalb des Beraterstabes des Ministers Leute saßen, die sich buchstäblich selber kontrollieren sollten, oder eben nicht.
Die erste Reaktion des PS-Ministers fiel ähnlich unglücklich aus wie seine vorherigen Stellungnahmen in der Akte: Er habe gerade erst von den Mandaten seines stellvertretenden Kabinettschefs erfahren. Aber davon abgesehen: Ein enger Vertrauter sei Parmentier ohnehin nie gewesen.
Ob Furlan mit dieser Verteidigungslinie durchkommt, das wird sich spätestens am Mittwochnachmittag zeigen: Ab 15:00 Uhr muss Furlan im Plenum des Wallonischen Parlament in Sachen Publifin Stellung beziehen.
Roger Pint - Bild: Thierry Roge/BELGA