"Null Sterne statt fünf Sterne für Verhofstadt", schreibt schon De Standaard. Für Het Nieuwsblad droht dem Altpremier der "europäische Abgang". Die Presse ist wenig zimperlich mit Guy Verhofstadt. Der hat sich nämlich, nach einhelliger Meinung, im wahrsten Sinne des Wortes verzockt.
Die Meldung, die da seit einigen Tagen die Runde machte, mochte durchaus verwundern. Da hieß es, die liberale Fraktion im Europaparlament werde voraussichtlich die Abgeordneten der italienischen Fünf-Sterne-Bewegung in ihren Reihen aufnehmen.
Und das klang dann doch so, als wolle man da Feuer mit Wasser verbinden. Das alles festgemacht an zwei Personen:
Auf der einen Seite eben Guy Verhofstadt, seit Jahren als Fraktionschef der Liberalen im Europaparlament quasi das Gesicht dieser politischen Gruppe. Und in dieser Eigenschaft hat er in den letzten Jahren resolut und gewohnt feurig den Europäischen Integrationsgedanken hochgehalten.
Auf der anderen Seite der italienische Komiker und Populist Beppe Grillo, der bislang eigentlich eher als der Gegenentwurf durchging. Der EU gegenüber ist seine Fünf-Sterne-Bewegung eher skeptisch bis feindlich eingestellt, die Partei plädiert unter anderem für ein Referendum, in dem die Italiener über einen möglichen Ausstieg aus der Währungsunion abstimmen sollen.
Und als Sahnehäubchen: Die Fünf-Sterne-Bewegung saß bislang unter anderem mit den Abgeordneten der britischen Ukip-Partei in einer Fraktion, darunter auch Nigel Farage, der maßgeblich für den Brexit mitverantwortlich war und den man eben deswegen durchaus als den Lieblingsfeind von Guy Verhofstadt bezeichnen könnte.
"Gar nicht mehr so schlimm"
Deswegen also die Frage: Wie soll das gehen? Wie kann eine Fraktion um einen Guy Verhofstadt überhaupt darüber nachdenken, derart euroskeptische Leute in ihren Reihen aufzunehmen?
"Och, die Leute von der Fünf-Sterne-Bewegung sind gar nicht mehr so schlimm", beschwichtigte Guy Verhofstadt in den letzten Tagen immer wieder gerne. "Wir haben in letzter Zeit im EU-Parlament beobachten können, dass sie durchaus gemäßigter geworden sind, dass sie ihre Meinung in zentralen Punkten durchaus geändert haben und in die richtige Richtung eingeschwenkt sind", sagte Verhofstadt in der VRT.
Dafür spreche allein die Tatsache, dass sie sich jetzt von Ukip und Nigel Farage lossagen wollen. Verhofstadt gehörte denn auch zu denen, die einen Wechsel der Fünf-Sterne-Bewegung in die liberale Fraktion eigentlich eher befürworteten.
Gerade bei Verhofstadt dürfte da aber auch ein gewisses Eigeninteresse mitgespielt haben. In der vergangenen Woche hat er angekündigt, für den Vorsitz des EU-Parlaments kandidieren zu wollen. Nach wie ist ja offen, wer dem enorm sichtbaren deutschen Sozialdemokraten Martin Schulz nachfolgen soll.
Folgt man allein der langjährigen Tradition des EU-Parlaments, dann wird der nächste Parlamentspräsident ein Christdemokrat. Diese Vereinbarung gibt es laut Presseinformationen angeblich sogar schriftlich. Vor diesem Hintergrund sind die Chancen von Guy Verhofstadt denn auch eher überschaubar. Das weiß er wohl selbst, und deswegen wäre eine personelle Aufstockung seiner Fraktion mit Sicherheit aus seiner Sicht willkommen gewesen. Die Fraktion der Fünf-Sterne-Bewegung verfügt immerhin über 17 Abgeordnete.
Die halbe Wahrheit?
Und doch kam die Hochzeit am Ende nicht zustande. Es habe dann doch noch zu viele Diskrepanzen und unterschiedliche Meinungen gegeben, etwa zum Euro. Außerdem sei seine Fraktion wohl die pro-europäischste aller politischen Gruppen, da habe er dann doch Zweifel gehabt, ob das passt, sagte Verhofstadt.
"Ist das nicht die halbe Wahrheit?", wird Verhofstadt daraufhin von dem VRT-Journalisten gefragt. "War es nicht eher so, dass sie von ihren Fraktionskollegen zurückgepfiffen worden sind?" Verhofstadt dementiert. Es sei er selber gewesen, der am Ende vorgeschlagen habe, auf die Aufnahme der Fünf-Sterne-Bewegung zu verzichten.
Viele Beobachter glauben ihm das nicht. Und der Eindruck bleibt, dass Verhofstadt von den eigenen Leuten überstimmt wurde, die einfach nicht mit der Fünf-Sterne-Bewegung paktieren wollten. Die Glaubwürdigkeit des belgischen Altpremiers ist in jedem Fall angeknackst, sein Image ebenso. Statt nach ganz oben geht es am Ende für ihn also vielleicht doch eher Richtung Ausgangstür.
Roger Pint - Bild: Adrian Hancu/Belga