Von Massenpanik ist anscheinend nichts zu spüren, und nur hier und da gibt es Klagen über ausbleibende Kundschaft. Schon am Morgen nach dem Anschlag von Berlin erwachte Brüssel eigentlich wie immer. Der Berufsverkehr verstopfte wie üblich die Straßen, Eltern eilten mit ihren Kindern zur Schule, in der U-Bahn drängten sich zur Stoßzeit die Menschen eng an eng in den Wagons. Die Geschäfte öffneten zur normalen Zeit, und nur der Blick auf die Titelseiten der Zeitungen machte am Dienstag deutlich, dass in der Welt mal wieder etwas Schreckliches passiert war.
Bis heute hat sich daran nichts geändert. Der Alltag in Brüssel - er läuft gefühlt weiter wie bisher. Selbst auf dem Weihnachtsmarkt kann der Betrieb als "normal" bezeichnet werden. Glühwein und Würstchen werden weiterhin verkauft, auch in Kneipen und Restaurants sind die Stühle besetzt.
Aber nicht so viele, wie ohne den Anschlag in Berlin besetzt sein würden. Das sagt Joseph de Belder, Inhaber eines Restaurants in der Brüsseler Innenstadt. Am Dienstag habe er deutlich weniger Kunden gehabt als sonst. Es seien die belgischen Kunden gewesen, die nicht gekommen wären, die Stammkunden. Sie hätten natürlich Angst gehabt, auf den Weihnachtsmarkt zu gehen, mitten ins Zentrum, dort, wo auch sein Restaurant liege.
Am Mittwoch habe sich diese Tendenz fortgesetzt: Deutlich weniger Reservierungen als sonst und immer wieder Absagen von lange im Voraus reservierten Tischen.
Einbußen also hier und da, aber keine massiven Einbrüche im Gastronomie- und Hotelgewerbe. Das sagt Philippe Close, Tourismusschöffe der Stadt Brüssel. Zwar fuße die Beobachtung nicht auf einer wissenschaftlichen Erhebung, ein paar negative Rückmeldungen habe es durchaus gegeben. Aber global gesehen: kein Einbruch.
Die relative Gelassenheit, mit der Brüssel auf den Anschlag in Berlin reagiert, ist auch im Rest des Landes zu spüren. Die Zeitung De Morgen stellt sich in ihrer Ausgabe vom Donnerstag die Frage, woran das liegt. Antwort: Zum einen an der Ruhe, mit der die Deutschen selbst - Politiker, Medien und Öffentlichkeit - mit dem Anschlag umgehen würden.
Zum anderen habe man sich mittlerweile an solche Terroranschläge gewöhnt. Das Attentat auf die Redaktion von Charlie Hebdo Anfang 2015, und dann die Anschläge von Paris, Brüssel und Nizza im Juli hätten auch deshalb so geschockt, weil sie eine neue Art des Terrors in Europa waren. Aber: "Man kann nicht ständig in Angst leben", zitiert De Morgen einen Psychologen, um die aktuell zu spürende relative Gelassenheit in Belgien zu erklären.
Diese Entwicklung lässt sich auch an den Zahlen des Brüsseler Tourismusgeschäfts ablesen. 2016 war ein schwarzes Jahr. Die Terroranschläge haben zu großen Einbußen geführt. "Man spricht allgemein von einem Rückgang von 25 Prozent", sagt Tourismusschöffe Philippe Close. Die genaue Bilanz müsse man am Ende des Jahres ziehen. Aber grundsätzlich verbessere sich die Lage wieder. Die Hoffnung bleibe, dass sich alles bald wieder normalisiere.
Kay Wagner - Foto: Hatim Kaghat/BELGA