"Hier hat nicht der Polizeiapparat Mist gebaut, sondern eine einzige Person". Klare Worte von Innenminister Jan Jambon. Am 25. März in der Kammer, also drei Tage nach den Anschlägen, hat Jambon einen Schuldigen für eine entscheidende Ermittlungspanne ausgemacht, einen einzigen: Es ist der belgische Verbindungsoffizier in der Türkei - und dieser Sündenbock hat auch einen Namen: Sébastien Joris.
Alles dreht hier um einen der Selbstmordattentäter von Zaventem: Ibrahim El Bakraoui. El Bakraoui war Ende Juni 2015 an der türkisch-syrischen Grenze aufgegriffen worden. Einige Tage später wird er ausgewiesen: Die türkischen Behörden setzen ihn in ein Flugzeug in Richtung der Niederlande. Dort angekommen wird El Bakraoui aber nicht von der Polizei in Empfang genommen. Weder die Niederländer noch die Belgier scheinen zu wissen, wer da in Schiphol gelandet ist. Die belgische Polizei wird erst später über den Vorgang in Kenntnis gesetzt - zu spät... Resultat: El Bakraoui verschwindet von der Bildfläche.
Jambon machte aus Verbindungsoffiziers den Buhmann
Für den Innenminister ist an jenem 25. März klar: Hier hat einer geschlafen, eben der belgische Verbindungsoffizier in Ankara. Am 26. Juni 2015 wird El Bakraoui aufgegriffen. Am 20. Juli, also einen knappen Monat später, wird aber erst die Föderale Polizei informiert. Da könne man doch nur schlussfolgern, dass eine Person nachlässig gewesen ist, zu wenig Engagement gezeigt hat.
Dieses Fehlverhalten des Verbindungsoffiziers sei himmelschreiend, so sagte Jambon am 25. März. Wenn einer an der syrischen Grenze aufgegriffen wird, dann könne man sich doch an den fünf Fingern abzählen, dass es hier um Terrorismus geht. Und daran ändere auch der Umstand nichts, dass der Verbindungsoffizier im fraglichen Zeitraum im Urlaub war, wetterte Jambon. Bei Terrorverdacht sei alles andere zweitrangig, so Jambon und machte aus Sébastien Joris den Buhmann, warf den Beamten den Wölfen zum Fraß vor...
Joris korrekt gehandelt
Entsprechend wurde denn auch die Anhörung des Mannes im Untersuchungsausschuss der Kammer mit Spannung erwartet. Die Sitzung fand hinter verschlossenen Türen statt. Sébastien Joris selbst wollte sich nicht äußern.
Nach der Anhörung des Verbindungsoffiziers liegen die Dinge aber offensichtlich etwas anders, als Innenminister Jambon es vor acht Monaten dargestellt hatte. Oppositionspolitiker gaben sich im Anschluss regelrecht fassungslos. Für ihn sei deutlich, dass sich der Beamte durch und durch professionell verhalten habe, sagte etwa der CDH-Abgeordnete Georges Dallemagne. Sébastien Joris habe trotz der Tatsache, dass er schon im Urlaub war, die Informationen noch pflichtbewusst nach Brüssel übermittelt.
Dass Sébastien Joris korrekt gehandelt hat, das bestätigten im Übrigen auch dessen Vorgesetzte, fügt Gilles Vanden Burre von Ecolo hinzu. Das scheine sich jetzt nur noch weiter zu bestätigen.
Doch wer, wenn nicht Sébastien Joris, hat denn jetzt in dieser Sache den Bock geschossen? Das ist noch nicht so ganz klar. Im Moment müsse man davon ausgehen, dass die kapitale Information über El Bakraoui bei der Föderalen Polizei in Brüssel versickert ist, sagt Georges Dallemagne.
Jambon jetzt selbst im Fadenkreuz
Mal ganz davon abgesehen, dass hier jemand wohl zu unrecht fast buchstäblich gelyncht wurde, gebe es hier eindeutig Klärungsbedarf, ist sich die Opposition einig: "Wir möchten jetzt wissen, worauf sich Jambon seinerzeit basierte, über welche Informationen er verfügte", sagte die SP.A-Abgeordnete Meryame Kitir. Deswegen müsse sich Jambon jetzt im Untersuchungsausschuss erklären.
Der Frankophone spricht vom "arroseur arrosé": Für Jambon entwickelt sich die Sache zum Rohrkrepierer. Plötzlich gerät er selbst ins Fadenkreuz. Er bleibt bis auf weiteres jedenfalls bei seiner Haltung, steht aber damit, wie einige Zeitungen schreiben, zunehmend alleine da...
Roger Pint - Archivbild: Nicolas Maeterlinck (belga)