De Decker bleibt zwar bis auf weiteres Bürgermeister von Uccle und Regionalabgeordneter in Brüssel, parteiintern ist er am Sonntag aber überraschend aus allen Gremien ausgeschlossen worden. De Decker wird vorgeworfen, sein Senatorenamt missbraucht zu haben, um einem reichen belgisch-kasachischen Mandanten aus der Patsche zu helfen.
In der Affäre steckt Zündstoff. Wohl auch deshalb ist die MR um Schadensbegrenzung bemüht. Sollte es zur Anklage kommen – so sehen es die Leitlinien der MR vor – müsste De Decker unverzüglich seine Ämter niederlegen. Derzeit ist er Bürgermeister der Brüsseler Stadtgemeinde Uccle und Regionalabgeordneter.
Was wird De Decker vorgeworfen?
Zweierlei: seine fürstliche Entlohnung als Anwalt. Und – schlimmer – Einflussnahme im Amt, weil er gleichzeitig Senator war und politische Kontakte genutzt haben soll, um den Gesetzgebungsprozess in die gewünschte Richtung zu lenken. Konkret geht es um das sogenannte "Freikauf-Gesetz". Das ist im Frühjahr 2011 erweitert worden. Erster Nutznießer ist der belgisch-kasachische Geschäftsmann Patokh Chodiev gewesen, Mandant von Armand De Decker.
Die Justiz ermittelte seit Jahren gegen ihn, unter anderem wegen dubioser Immobiliengeschäfte und Geldwäsche. Aufgrund der neuen Gesetzeslage wurde ein Deal mit der Staatsanwaltschaft möglich. Chodiev zahlte 23 Millionen Euro an den Staat und die Ermittlungen wurden eingestellt.
Doch Anwalt und Politiker De Decker behauptet bis heute, dass er niemanden beeinflusst habe und in dieser Angelegenheit ausschließlich als Rechtsanwalt aufgetreten sei – nicht als Politiker.
2.000 Euro Stundenlohn
Seit die Affäre vor über einem Jahr ausbrach, verdichten sich aber die Hinweise gegen De Decker. So hat der Brüsseler Anwalt für seine Dienste über 740.000 Euro kassiert. Den Ermittlern erklärte De Decker, 350 Stunden an der Akte gearbeitet zu haben, was einen Stundenlohn von mehr als 2.000 Euro entsprechen würde. Das ist selbst für Spitzenjuristen unüblich. Der Verdacht des Schmiergelds steht hier im Raum. Geschäftsmann Chodiev könnte sich für die Beschleunigung der Gesetzesänderung erkenntlich gezeigt haben.
Schon allein der Gedanke, dass einem Politiker Geld zugesteckt wurde, bringt nicht nur die gesamte Opposition auf die Palme, sondern auch die versammelte MR. "Ein Parlamentarier darf von wem auch immer kein Geld annehmen", sagt der Föderalabgeordnete Philippe Goffin. Und wenn er die Gesetzgebung beeinflusst, dann nur im Sinne der Allgemeinheit – ganz sicher nicht für Partikularinteressen.
Verbindung zu Frankreichs Staatspräsidenten
Nächstes Problem für De Decker: Es ist eine E-Mail eines Mitarbeiters des ehemaligen französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy aufgetaucht, in der der Vorgang festgehalten wird. Dass das Gesetz in Belgien dank Armand De Decker, der bei gleich drei Ministern nachgebohrt habe, angepasst werden konnte. Doch auch diesen Vorwurf hatte De Decker seinerzeit zurückgewiesen. Herr Sarkozy und Frankreich hätten damit nichts zu tun.
Der Elysée-Palast war aber an De Deckers Mandanten Chodiev und seinen Kontakten interessiert, um ein schweres Hubschraubergeschäft in Kasachstan unter Dach und Fach zu bringen.
Die Ermittlungen laufen weiter. Unterdessen fordern fast alle Fraktionen die Schaffung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, um herauszufinden, was an dieser Sache dran ist. Interessenskonflikt von Armand De Decker, Schmiergeld- oder sogar Staatsaffäre à la Agusta?
Alain Kniebs - Foto: Thierry Roge/BELGA