Im Brüsseler EU-Viertel scheint im Moment irgendwie Ratlosigkeit vorzuherrschen. Man kann jedenfalls nur feststellen, dass sich die verschiedenen EU-Verantwortlichen in den letzten Tagen doch teilweise richtig unglücklich verhalten haben. Zum Beispiel wurden ja gleich mehrmals Ultimaten an die Wallonen gestellt - und wenn die jeweilige Deadline dann abgelaufen war, hieß es entweder, es habe doch gar kein Ultimatum gegeben oder es wurde wieder eine neue Frist gestellt; manchmal war es der Ratspräsident, dann wieder die Kommission.
Ein ähnliches Bild sieht man jetzt in Sachen EU-Kanada-Gipfel: Erst heißt es, das Treffen wird wohl abgesagt. Am Montagabend gab dann Ratspräsident Tusk bekannt, dass man zusammen mit Kanada doch an dem Gipfel festhalte. Und nur einige Stunden später kommt dann EU-Parlamentspräsident Martin Schulz und sagt, dass es wohl in dieser Woche keine Einigung mehr geben werde und dass man den Gipfel dann doch besser abbläst.
Das alles wirkt doch ziemlich kopflos. Die Wallonen scheinen die EU auf dem völlig falschen Fuß erwischt zu haben und die wallonische Position wurde viel zu lange nicht ernst genug genommen. Die EU ist also auf dem besten Weg, wieder in eine neue Krise zu schlittern.
Timmermans: "Haltung der Wallonie unverantwortlich"
Aber auch innerbelgisch brodelt es. Gewerkschaften, Bauernverbände, Nicht-Regierungsorganisationen, Globalisierungskritiker - viele feiern das Nein der Wallonie, nach dem Motto: wenigstens einer, der die Gefahren erfasst hat, die einem solchem Freihandelsabkommen innewohnen.
Aber es gibt eben auch andere, die richtiggehend entsetzt sind. Das gilt zum Beispiel für einige Arbeitgeberverbände. Die Haltung der Wallonie sei "unverantwortlich", sagte etwa Pieter Timmermans vom Arbeitgeberverband FEB, zumal ausgerechnet Belgien doch so angewiesen sei auf seine Exportwirtschaft: Fast 600.000 Arbeitsplätze hängen unmittelbar an der belgischen Exportwirtschaft, sagt Timmermans. Und hier sorge die Wallonie eben mindestens für einen erheblichen Imageschaden...
Vincent Reuter, der Chef des wallonischen Arbeitgeberverbandes UWE, sorgt sich seinerseits um die Zukunft der Region. Er könne gewisse Bauchschmerzen in punkto Ceta ja sogar nachvollziehen, sagt Reuter. Aber: "Wir fragen uns, wie die Regionalregierung in Zukunft die Wallonie international positionieren will - zumal jeder weiß, dass gerade die Wallonie Exporte brauche", erklärt der UWE-Chef.
De Wever: "Zeit, dass Wallonen Rechnung für ihr Verhalten zahlen müssen"
Was die Wallonie da mache, das sei schon sehr gefährlich, so das Fazit der Arbeitgeber. Und inzwischen hat sich auch N-VA-Chef Bart De Wever gemeldet. Sogar die griechischen Linksextremisten von Syriza würden inzwischen noch von Paul Magnette links überholt, sagte De Wever am Montag im VRT-Interview. Das sei doch schon ziemlich unfassbar. Aber wirklich überrascht sei er nicht, fügte er hinzu. "Wir als Flamen wissen ja längst, dass die PS regelmäßig anderen schadet und jetzt schaden sie sogar schon ganz Europa", sagt De Wever.
Zu verlieren hätten die Wallonen ja nichts, fügt er sinngemäß hinzu, den Handel mit Kanada trieben ja die Flamen". "Es wird Zeit, dass die Wallonen auch mal die Rechnung für ihr Verhalten zahlen müssen", so das Fazit von De Wever.
Es scheint, als sei da mit großen Schritten eine neue innenpolitische Krise im Anmarsch und es dürfte wohl nur noch eine Frage der Zeit sein, bis es innenpolitisch richtig scheppert. Am Montag schon gab es giftige Vorwürfe von Premier Michel an die Adresse von Paul Magnette - und der wallonische Ministerpräsident versuchte seinerseits, der Föderalregierung die Schuld in die Schuhe zu schieben.
Es riecht also innenpolitisch doch sehr stark nach einem neuen Clash. Spätestens 2019, wenn die nächste Wahl ansteht, wird das Ganze jedenfalls ans Licht kommen. Davon abgesehen kann man aber auch feststellen, dass sich PS und N-VA auch ein bisschen gegenseitig hochschaukeln. Die Formulierung der Zeitung Het Nieuwsblad war da am Dienstag ganz treffend: "PS und N-VA, das sind mehr denn je 'beste Feinde'."
rop/mg - Bild: Dirk Waem/BELGA