Am späten Freitagabend hatte die Koalition dann doch noch ein Abkommen erzielen können.
Im Mittelpunkt der Ansprache des Premiers vor der Kammer stand naturgemäß zunächst der Haushalt. Drei Milliarden Euro hat die Regierung gefunden, um das Budget in der EU-Spur zu halten. Und damit bleibe ein Haushaltsgleichgewicht 2018 möglich.
Die Regierung hat keine neuen Steuern getroffen, die Ottonormalverbraucher treffen würden: keine Erhöhung der Mehrwertsteuer oder der Akzisen, keine Kürzung des Arbeitslosengelds und auch vom Index lässt man die Finger. Die neuen Abgaben betreffen allein das Kapital, bzw. sind umweltpolitisch motiviert.
So soll unter anderem die Quellensteuer erhöht und auch eine Abgabe auf Tankkarten erhoben werden, die durch die Arbeitgeber zu tragen ist.
Der Tax-Shift werde indes weiter durchgezogen und das komme auch den kleinen Gehältern zugute: monatlich 140 Euro netto zusätzlich und das im Jahr 2019.
Neben dem Haushalt habe die Regierung aber auch gleich sieben Strukturreformen beschlossen. Einige davon dürften allerdings bei den Gewerkschaften nicht so gut ankommen. Beispiel: Die 38-Stundenwoche werde ab jetzt auf Jahresbasis berechnet. Heißt also: es ist ab jetzt möglich, dass man etwa auch schon mal 45 Stunden in einer Woche arbeitet, dafür aber eben in einer anderen entsprechend weniger.
Anderes Reizthema: Die Pensionsreform wird weitergeführt. So soll auf Dauer auch das Renteneintrittsalter von Soldaten oder dem SNCB-Personal angehoben werden. Nicht zu vergessen: neue Reformen im Gesundheitswesen, unter anderem eine Neuordnung des Krankenhauswesens oder neue Maßnahmen zur Aktivierung von Langzeitkranken.
Premier Michel erinnerte aber auch noch einmal an die Anschläge, die das Land am 22. März getroffen haben. Er wolle den Opfern noch einmal die Ehre erweisen und sich zugleich bei allen staatlichen Diensten bedanken, die in der Folge für die Sicherheit im Land gesorgt haben.
Die Justiz und die Polizeidienste werden nicht von neuen Sparmaßnahmen betroffen sein, versprach Michel, eher im Gegenteil.
Für die Regierung lautet das Credo weiterhin: Jobs, Jobs, Jobs. Konkret: Die Förderung der Wirtschaft und der Unternehmen sei die beste Medizin, um unsere Sozialsysteme langfristig zu sichern. Dabei vergesse man aber auch nicht die Steuergerechtigkeit.
Die Regierung gelobt, die Last der Sanierung gleichmäßig auf allen Schultern zu verteilen. "Unsere Rechnung geht in jedem Fall auf", sagt Michel. "Unsere Reformen beginnen, Früchte zu tragen. Diese Regierung will eine optimistische Zukunft möglich machen", sagte Michel, und deswegen bitte er um das Vertrauen des Parlaments.
Im Vergleich zur Erklärung vor der Presse am Samstag gab es keine Überraschungen, abgesehen von der Ankündigung, eine sogenannte Task-Force zugunsten der ARCO-Anleger aufzustellen. Die ARCO-Kooperative war Opfer des Dexia-Bankrotts und ein Instrument des CD&V-nahen ACW. Die Leterme-Regierung hatte den Genossenschaftlern eine staatliche 100.000 Euro-Garantie versprochen, die EU-Kommission wertete dies aber als eine illegale Staatshilfe, da die ARCO-Mitglieder rechtlich Aktionäre sind.
Der Anwalt der ARCO-Aktionäre reagierte kühl: solange nichts feststehe, solle die Regierung keine falschen Hoffnungen machen.
Am Montag wird das Parlament über die Regierungserklärung debattieren. Die Abstimmung ist am Dienstag vorgesehen.
Roger Pint - Bild: Aurore Belot/Belga