Der Staatshaushalt 2017 sowie die Anpassung des laufenden Haushaltes werden in Kürze vorliegen, kündigte Premierminister Charles Michel am Donnerstagnachmittag in der Kammer an.
Die Regierung werde drei Milliarden Euro einsparen, sagte Michel in der wöchentlichen Fragestunde. Es werde keinen Indexsprung geben und keine Maßnahmen, die die Kaufkraft der Bürger beeinträchtigen würden, stellte er klar.
Die strukturellen Reformen, die die Regierung beschließen will, sollen losgekoppelt vom Haushalt zu einem späteren Zeitpunkt verabschiedet werden.
Besorgniserregend
Für Michel war es ein schwerer Gang. Sich ausgerechnet jetzt den Fragen der Abgeordneten stellen zu müssen, wo doch seine Koalition in einer ersten handfesten Krise steckt. Michel musste darlegen, warum seine Regierung es nicht schafft, sich auf den Haushalt und eine Reihe von Strukturreformen zu verständigen.
Der Premier blieb in seiner Antwort recht vage, am Ende lancierte er aber einen Appell, den man doch als bemerkenswert bezeichnen kann, um nicht zu sagen besorgniserregend. Denn das Problem von Charles Michel ist offenbar seine eigene Mehrheit.
Bei der Opposition gab es im Grunde nur einen Tenor: "Was ist da los?", fragten sich allen voran Sozialisten, Grüne und CDH. Wie ist der Zustand der Koalition, deren Gezanke in den letzten Tagen ja eher lauter als leiser geworden ist? "Nach diesen bewegten Tagen haben wir alle das Recht auf eine Erklärung", sagte die SP.A-Fraktionsvorsitzende Meryame Kitir. "Wir, das heißt das Parlament, aber auch die Bürger dieses Landes."
Und diese Erläuterung sei überfällig, nachdem der Premier ja am Dienstag in der Kammer gefehlt hatte, als er doch eigentlich seine Rede zur Lage der Nation halten sollte. "Ihre Regierung, Herr Premier, steckt in einer Krise", konnte die CDH-Vorsitzende Catherine Fonck am Nachmittag nur feststellen.
Massenschlägerei
Schlimmer noch, sagte die PS-Fraktionsvorsitzende Laurette Onkelinx: "Was wir jetzt sehen, das erinnert an eine Massenschlägerei. Die verschiedenen Parteien der Koalition gingen sich auch heute noch gegenseitig an den Kragen." Ein jämmerliches Bild, meinte auch Kristof Calvo von Groen. "Ehrlich, Herr Michel: Da ist der Vorstand einer Pfadfindergruppe professioneller. Hören sie endlich auf damit! Zeigen sie Führungsqualitäten!"
Dann kam der Moment, auf den man mit Spannung gewartet hatte: Premier Charles Michel äußert sich zum ersten Mal zum Koalitionsknatsch. Und erstmal läuft auch noch alles so, wie man es sich an den fünf Fingern abzählen konnte. "Ja es stimmt, wir konnten uns bislang nicht einigen", oder "Ja, deswegen wurde auch die Rede zur Lage der Nation verschoben."
Haushalt rund
Aber der Haushalt stehe so weit - das allerdings noch unter Vorbehalt, bis man sich eben auch auf die Strukturreformen geeinigt habe. In den kommenden Stunden oder Tagen sei mit einer Einigung zu rechnen, sagte der Premier.
Und den Vorwurf, seine Regierung tue nichts für die Kaufkraft der Menschen, den wollte Michel so nicht stehen lassen. "Über den Taxshift bekommen die Menschen mit niedrigen Löhnen netto doch spürbar mehr", sagt Michel. "Und welche Regierung hat in den letzten 15 Jahren so viel für Gerechtigkeit getan?", brüllte der sonst so besonnene Premier.
Der ungewohnte Ton des Premiers sorgte dann doch für eine gewisse Verwunderung. Liegen da doch die Nerven blank? Wenig später wurde der Verdacht erhärtet.
Was war das denn?
Michel wandte sich direkt ... an die Mehrheit. Jeder solle jetzt Verantwortungsbewusstsein an den Tag legen. Verdutzte Gesichter, doch Michel redet weiter: "Wir haben mehr gemeinsam als uns voneinander unterscheidet. Und ich bin überzeugt, dass wir gemeinsam die Herausforderungen angehen können."
Tosender Applaus, aber Fragezeichen auf den Gesichtern der Abgeordneten. Was war das denn? Ein Premier, der seine Mehrheit zur Einheit aufruft, fast bekniet? Wir wussten ja schon, dass die Lage ernst ist, sagte Jan-Marc Nollet von Ecolo. Aber so ernst? Das sei doch ein Hilferuf. Einen solchen Auftritt habe er jedenfalls noch nicht erlebt, so Nollet.
Übrigens: Während der Premier so sprach, ging es fröhlich weiter, stritten sich schon wieder zwei Mehrheitspolitiker vor einer VRT-Kamera.
Eigentlich muss der Haushaltsplan der Föderalregierung am Samstag der EU-Kommission vorgelegt werden. Von dort kam aber bereits grünes Licht für eine Fristverlängerung. Finanzkommissar Moscovici erklärte, es sei kein Problem, wenn der Haushaltsplan erst am Montag vorliege.
Roger Pint - Bild: Dirk Waem/Belga