"Man muss feststellen, dass unsere Kernkraftwerke in punkto Informatik nicht wirklich so sicher sind, wie sie es sein sollten." Der Ecolo-Parlamentarier Jean-Marc Nollet ist besorgt. Er hat ein internes Audit einsehen können, dass vor einiger Zeit bei Electrabel durchgeführt wurde. Das Ergebnis dürfte da selbst die Verantwortlichen des Stromherstellers doch etwas erschüttert haben. Datensicherheit, Fehlanzeige, könnte man sagen.
Jean-Marc Nollet nennt einige Beispiele: Dokumente werden nicht an den dafür bestimmten Orten aufbewahrt, Mitarbeiter, die den Betrieb längst verlassen haben, verfügen nach wie vor über Zugangscodes, die Verschlüsselung der elektronischen Daten lässt zu wünschen übrig, der Daten- und Schriftverkehr verstößt gegen geltende Sicherheitsbestimmungen. Und das sei noch nicht alles, sagt Nollet. Man habe sogar festgestellt, dass streng geheime Sicherheitspläne der Kernkraftwerke bei Subunternehmen gelandet sind - und das ohne, dass Electrabel überhaupt davon wusste.
Nachlässiger Umgang mit hochsensiblen Daten
Kurz und knapp: Der Kernkraftwerkbetreiber nimmt es selbst mit hochsensiblen Daten nicht so genau. "Cybersicherheit ist ein Fremdwort", sagt Nollet. Das Audit liste insgesamt unglaubliche 26 Probleme auf. Und dann muss man sich vor Augen führen, wovor Experten längst warnen, nämlich die Gefahr, dass Terroristen irgendwann Atomanlagen ins Visier nehmen könnten...
"Jetzt aber mal langsam", reagierte aber die Electrabelsprecherin Anne-Sophie Hugé in der RTBF. Im Grunde referiere der Ecolo-Parlamentarier hier über kalten Kaffee, sagt Hugé. Besagtes Audit liege bereits seit Mitte vergangenen Jahres vor. Electrabel habe umgehend reagiert und einen entsprechenden Aktionsplan erstellt. Die meisten der Empfehlungen seien bereits umgesetzt worden.
Welche Probleme das Audit im Einzelnen ans Licht gebracht hat, dazu wollte sich die Sprecherin freilich nicht äußern. Dass Belgien und im Besonderen die belgische Atombranche in Sachen Computersicherheit hinterherhinkt, darauf weisen internationale Gremien aber in regelmäßigen Abständen hin.
Auslagerung der IT ins Ausland muss aufhören
Für den Grünen-Politiker Jean-Marc Nollet gibt’s da denn auch nur eine Alternative: Man müsse dafür sorgen, dass Electrabel in Belgien wieder eine vollwertige Computerabteilung bekommt. Die Auslagerung der IT nach Indien oder Marokko, das müsse aufhören, gerade, wenn es um so sensible Bereiche gehe.
Abgesehen von den Problemen in den virtuellen Computerwelten hat Electrabel aber auch noch mit materiellen Widrigkeiten zu kämpfen. Sorgenkind ist der Reaktorblock Tihange 1. Der Meiler wurde am 7. September abgeschaltet, also vor gut einem Monat. Ob der Reaktor fristgerecht Ende November wieder ans Netz gehen könne, ist laut Informationen der Zeitung Le Soir noch fraglich. Die Electrabelsprecherin dementierte: "Wir halten an unserem ursprünglichen Timing fest." Siehe dazu auch: Tihange 1 vielleicht länger vom Netz.
Roger Pint - Bild: Bruno Fahy/BELGA