Eins kann man Rik Vandenberghe nicht vorwerfen: Mut hat er, der Geschäftsführer von ING-Belgien. Vandenberghe wusste, dass es ungemütlich würde, aber er hat sich doch in Live-Sendungen den zum Teil unangenehmen Journalistenfragen gestellt. Fragen zu der Bombe, die seine Bank am Montag gezündet hat, als sie die Streichung von insgesamt 3.500 Stellen ankündigte, und das allein in Belgien.
In einem Kommuniqué, das Kommentatoren als "eiskalt" bewertet haben, hatte die ING die angekündigte Umstrukturierung noch als "Option auf die Zukunft" verkauft. Der Titel sagte alles: "Ein innovatives Digitalangebot, leicht zugängliche und qualitativ hochwertige Kundenbetreuung". Dass damit die Streichung von insgesamt 3.500 Jobs verbunden ist, diese Info musste man in dem Kommuniqué fast schon suchen.
In der RTBF bekam Rik Vandenberghe dafür einen gehörigen Tritt vors Schienbein. "Anscheinend arbeiten jetzt auch schon Computer in der Kommunikationsabteilung", sagte der Humorist Guillermo Guiz im RTBF-Morgenmagazin, der das Interview mit dem ING-Chef einläuten sollte. Und dann ein beißender Satz: "Herr Vandenberghe, ich hoffe, dass Sie irgendwann auch durch einen Computer ersetzt werden und dass man das danach auch als gute Neuigkeit verkauft."
Das hatte wohl gesessen. Im Gegensatz zu dem zynischen Kommuniqué war Vandenberghe jedenfalls um Demut bemüht, wirkte fast kleinlaut. "Ja, er habe gestern angekündigt, dass ING bis zu 1.700 Entlassungen vornehmen werde. Er werde sich aber darum bemühen, diese Zahl möglichst noch zu drücken", so Vandenberghe. Er sei sich jedenfalls durchaus der Tragweite der Entscheidung und der Auswirkungen für die Mitarbeiter bewusst.
Und das gelte auch für Ralph Hamers, den niederländischen Hauptgeschäftsführer des ING-Konzerns. Hamers hatte am Freitag in einer internen Mail einen Satz abgesetzt, der die gestrige Entscheidung noch zynischer erscheinen lässt. "Aufregende Dinge stehen bevor; am Montag mehr dazu", hieß es da. Er kenne den Kontext zwar nicht, er entschuldige sich aber stellvertretend für seinen Chef, sagt Rik Vandenberghe.
Hamers hatte noch im vergangenen Jahr seine Bezüge um fast 30 Prozent erhöht. "Nun, der Mann trägt schließlich Verantwortung. Und sein Gehalt bewegt sich eher noch im Durchschnitt", sagt Vandenberghe.
Digitalisierung
Zurück zur angekündigten Umstrukturierung: Rein inhaltlich bleibt der ING-Belgien-Chef freilich bei seiner Argumentation. "Wir sind eine gesunde Bank, aber der Punkt ist: Wir wollen das auch bleiben. Deswegen wollen wir uns eben neu aufstellen." Und da lautet das Wort der Stunde: Digitalisierung.
Es sei doch der Kunde, der der Bank da den Weg vorgebe, sagt Vandenberghe. Der Kunde möchte seine Bankgeschäfte möglichst online tätigen, am liebsten per Smartphone. Inzwischen ist es so, dass die Menschen nur noch vier Mal pro Jahr eine Zweigstelle betreten. Deswegen wird eben das Zweigstellennetz zusammengestrichen.
Vandenberghe gibt zu bedenken, dass man immer noch eine starke Präsenz auf dem Terrain behalte. Im Grunde werden die ING-Filialen und auch die der Tochterfirma Record-Bank zusammengelegt und ausgedünnt. Übrig bleiben dann immer noch 600 ING-Filialen.
Auf die Tatsache angesprochen, dass ING-Belgien in den letzten Jahren 7,2 Milliarden an Dividenden an das niederländische Mutterhaus überwiesen hat, hält Vandenberghe eine andere Tatsache entgegen: ING gehöre zu den größten Steuerzahlern in Belgien. Allein im vergangenen Jahr habe seine Bank 350 Millionen Euro an Körperschaftssteuer abgeführt.
Dennoch ändert das alles nichts daran, dass jetzt 7.000 Familien in eine ungewisse Zukunft gestürzt werden, wie es auch schon eine Zeitung formulierte.
Roger Pint - Bild: Laurie Dieffembacq/Belga
Produktivität, Wachstum und Gewinnoptimierung sind die Geißeln des Kapitalismus. Menschlichkeit und Empathie werden auf dem Altar des schnöden Mammons geopfert. Die kapitalistische Krise beschert uns Sozialabbau, Nationalismus, Fachismus und ... KRIEG im Endstadium. Es wird höchste Zeit, dass wir uns die auf die Pfeiler einer gesunden Gesellschaft zurückbesinnen, nämlich Solidarität, Gerechtigkeit, Fairness im Umgang miteinander.