"C'est parti!", titelt die flämische Zeitung De Morgen auf Französisch. "Es geht los!". "Es ist soweit!", freut sich Het Nieuwsblad auf Seite eins. "Ein Monat Fußball", schreibt L'Avenir.
Heute Abend beginnt die Fußball-Europameisterschaft. Gastgeber Frankreich trifft im Eröffnungsspiel im Stade de France auf Rumänien. Die Roten Teufel werden am Montag ihren ersten Auftritt haben. "Ich brauch' keinen Champagner-Fußball, ich will nur gewinnen", sagt Nationaltrainer Marc Wilmots auf Seite eins von Het Laatste Nieuws. Die Belgier gelten als einer der Geheimfavoriten des Turniers.
De Morgen hat Prominente um einen Tipp gebeten. Doch längst nicht alle glauben an die Roten Teufel. Die Parteichefs von OpenVLD und CD&V, Gwendolyn Rutten und Wouter Beke, sehen Deutschland als den wahrscheinlichsten Europameister. Fast schon traditionsgemäß enthält sich N-VA-Chef Bart De Wever der Stimme: Er habe von Fußball keine Ahnung.
"EM zwischen Party und Angst"
Neben dem sportlichen Aspekt gibt es heute aber auch nachdenkliche Töne: "Die EM zwischen Party und Angst", so etwa die Schlagzeile von Le Soir. "Ein Fußballfest, trotz der Befürchtungen", schreibt auch La Libre Belgique auf Seite eins. Tatsächlich blickt man vor allem in Frankreich mit gemischten Gefühlen auf die Europameisterschaft: Bei aller Vorfreude geht auch die Angst vor einem neuen Terroranschlag um. 90.000 Sicherheitskräfte sind mobilisiert, um die zehn Stadien, aber auch die unzähligen Fanmeilen zu sichern.
Ob die EM am Ende wirklich ein Fest wird, das hängt leider nicht nur von Ronaldo, Ibrahimovic oder De Bruyne ab. So resümiert es Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Nein, Frankreich ist ein Land in Angst. Angst vor Terroranschlägen, aber auch Angst vor Veränderungen. Neben den enormen Sicherheitsvorkehrungen wird das Bild nämlich auch geprägt von nicht enden wollenden Streiks. Dagegen sind die wallonischen Fanatiker fast schon harmlos. Was bleibt, das ist der Eindruck von einem Land, das Angst vor seinem eigenen Schatten hat.
"Drakonische Sicherheitsvorkehrungen, Angst vor Terrorismus und ein grimmiges soziales Klima: Wie kann man aus der EM trotzdem noch ein Fest machen?", fragt sich denn auch Gazet van Antwerpen. Indem man optimistisch bleibt, meint das Blatt. Die EM steht im Grunde stellvertretend für das allgemeine Paradox in all unseren Gesellschaften: Wir dürfen der Angst gegenüber nicht nachgeben, wir dürfen aber auch nicht naiv sein und müssen alles tun, um die Sicherheit zu garantieren. Wenn diese EM am Ende aber wirklich ein Fest gewesen ist, dann wäre das gleichbedeutend mit einem gigantischen Sieg über die Terroristen und die Angst, die sie säen wollen.
Die Roten Teufel: Hoffnungsträger mit Modellcharakter
Lasst uns die EM nehmen als das, was sie ist, meint La Libre Belgique: eine willkommene Auszeit, die viele von uns den rauen Alltag vergessen lässt. Wir müssen uns ja nicht gleich einschläfern lassen. Es ist aber nicht verboten, gemeinsam ein paar Momente des Glücks zu teilen.
Und gerade deswegen kann man nur hoffen, dass die Roten Teufel ein erfolgreiches Turnier spielen, wünscht sich Het Belang van Limburg. Das nicht nur aus sportlichen Gründen. Das Klima in diesem Land ist im Moment nicht gerade gut. Manchmal mag es so aussehen, als funktionierte hierzulande nichts mehr. Die Roten Teufel können Belgien einen heilsamen Schub geben. Mal angenommen, wir würden Europameister, dann herrschten mit einem Mal Freude und Optimismus. Und dann würden wir vielleicht auch eher wieder die positiven Seiten dieses Landes sehen, die zweifelsohne existieren.
Fußball ist viel mehr als nur ein Sport, so resümiert es denn auch L'Écho. Nicht nur, dass es ein Milliardengeschäft ist, der Gewinn eines großen Turniers beschert dem Siegerland nachweislich einen allgemeinen Aufschwung. Laut Experten lässt sich das sogar am Wirtschaftswachstum messen.
De Morgen misst der Nationalmannschaft sogar einen gewissen Charaktermodell bei. Die Roten Teufel sind das perfekte Spiegelbild der Bevölkerung, die sie vertreten. Neben den De Bruynes gibt es da die Lukakus, Fellainis und Nainggolans. Sport ist wie Kultur, glücklicherweise farbenblind. Hier zählen allein Talent und Leistung. Der Rest der Gesellschaft sollte sich davon mal eine Scheibe abschneiden.
Das mag ja alles stimmen, so das Fazit von Le Soir. Natürlich gibt es die Angst vor Terrorismus, natürlich ist der Fußball eine gigantische Geld-und-Marketing-Maschine, natürlich ist das Ganze ein bisschen überdimensioniert. Über Politik, Sicherheit und Geld spricht man aber vor dem Ereignis. Ab jetzt zählt hoffentlich nur noch der Fußball.
Optima-Pleite und Frittenbuden-Krieg
Natürlich gibt s heute aber auch ernstere Themen. "Eine Pleite der Optima-Bank ist wohl nicht zu vermeiden", titelt L'Echo. Die Nationalbank hat dem flämischen Geldhaus mit Sitz in Gent die Banklizenz entzogen. Inzwischen sind alle Kundenkonten der Bank gesperrt. Und, falls die Bank tatsächlich pleitegeht, dann stellt sich natürlich die Frage: Bekommen die Kunden ihr Geld zurück? Es gibt ja den Garantiefonds, der für die Einlagen der Kunden bürgt. Das allerdings nur bis zu einem Höchstbetrag von 100.000 Euro. "Für 30 Millionen gibt es aber keine Garantien", schreibt Het Laatste Nieuws auf Seite eins. Diese 30 Millionen könnten also in Rauch aufgehen.
Ein "Frittenbuden-Krieg" lässt schließlich in Gent die Gemüter hochkochen, wie Het Nieuwsblad berichtet. Die Stadtverwaltung hat beschlossen, die Stellplätze der Frittüren ab jetzt quasi über eine Auktion zuzuweisen: Der Meistbietende bekommt den Platz seiner Wahl. Die Maßnahme schlug hohe Wellen. Jetzt hat eine Traditions-Frittenbude ihren seit 25 Jahren angestammten Stellplatz verloren. Die Betreiberin raste daraufhin völlig aus und musste ins Krankenhaus gebracht werden. Resümee von Het Nieuwsblad: Der Frittenbuden-Krieg hat Opfer gefordert.
Roger Pint - Bild: Simonne Doepgen/BRF