"Warum?", titelt Le Soir. "Was ist da schief gelaufen?", fragt sich auch Het Belang van Limburg auf Seite eins. "Wie, in Gottes Namen, konnte es schon wieder zur Katastrophe kommen?", so die Schlagzeile von De Standaard.
Die Zeitungen berichten erst heute über das Zugunglück vom Saint-Georges-sur-Meuse, bei dem drei Menschen ums Leben gekommen waren. Zehn weitere wurden zum Teil schwer verletzt. Nach ersten Erkenntnissen war ein Personenzug nahezu ungebremst auf einen stehenden Güterzug geprallt.
Zugunglück: Warum?
Im Mittelpunkt steht heute vor allem die Suche nach der möglichen Ursache für die Katastrophe. Man weiß, dass kurz vor dem Unglück der Blitz eingeschlagen ist in einer technischen Installation der Bahn ganz in der Nähe. Andere wollten einen Sabotageakt nicht ausschließen. Während der Streiks waren ja tatsächlich einige Installationen von Unbekannten sabotiert worden. Für Het Laatste Nieuws ist es Weder-Noch: "Kein Blitz, keine Sabotage, aber was war es dann?", fragt sich das Blatt.
De Standaard stellt noch zwei weitere mögliche Ursachen in den Raum: Das automatische Bremssystem TBL1+ könnte gestört gewesen sein. Vielleicht gab es auch ein Problem mit den Haltesignalen. Für La Libre Belgique "war wohl die Geschwindigkeit das Problem", wie das Blatt auf seiner Titelseite schreibt. Kurz und knapp: Das Unglück gibt den Experten noch viele Rätsel auf.
Verstörend ist, dass sich quasi an exakt derselben Stelle vor fast genau acht Jahren schon ein vergleichbares Unglück ereignet hatte. Spätestens nach der Katastrophe von Buizingen im Jahr 2010 hatte die Bahn aber systematisch alle Gleise mit dem Notbremssystem TBL1+ ausgerüstet.
Seit Sonntagabend wissen wir aber, dass TBL1+ nicht ausreicht, meint L'Écho in seinem Kommentar. Die SNCB muss schneller als bisher geplant umsteigen auf den europäischen Standard, das ETCS-System. Denn eins ist sicher: Wäre die Trasse in Saint-Georges-sur-Meuse mit ETCS ausgestattet gewesen, dann wäre das Unglück höchstwahrscheinlich nicht passiert.
"Die Untersuchung kann jedenfalls noch Jahre dauern", orakelt Het Laatste Nieuws. Angehörige der Opfer, der Katastrophe von Buizingen können das nur bestätigen: "Sechs Jahre danach warten wir immer noch", sagt eine Frau in Le Soir, die bei dem Unglück ihren Mann und ihren Sohn verloren hatte.
SNCB: Auf der Suche nach dem verlorenen Vertrauen
In einem Gastkommentar in De Morgen erhebt der Eisenbahn-Spezialist Herman Welter schwere Vorwürfe gegen die SNCB. In den Niederlanden liegen die Ergebnisse einer Unfallanalyse oft schon sechs Monate danach vor. In Belgien dagegen weiß man auch noch Jahre später nicht mehr als am ersten Tag. Beispiel Buizingen: Was am 15. Februar 2010 genau passiert ist, das ist bis heute unklar. Schlimmer noch: Auch die Ursache der Zugkollision in Aalter im Jahr 1982 ist nach wie vor nicht bekannt. Man könnte fast meinen, hier sollte etwas vertuscht werden.
Das Vertrauen in die Staatsbahn muss dringend wiederhergestellt werden, fordert denn auch Het Nieuwsblad in seinem Kommentar. Erst die nicht enden wollenden Streiks, und jetzt obendrauf auch noch ein Unglück: Die SNCB hat in diesen Tagen wohl einen Tiefpunkt erreicht. Das ist umso schlimmer, als die Bahn eben kein Relikt der Vergangenheit sondern das Transportmittel der Zukunft ist. Deswegen brauchen wir eine SNCB, an die wir glauben können. Im Moment ist leider das Gegenteil der Fall.
"Jobs, Jobs, Jobs"
Das zweite große Thema heute sind die neuen Wirtschafts- und Finanzprognosen der Nationalbank. Eine wichtige Erkenntnis bringt Het Laatste Nieuws heute auf seiner Titelseite: "In den nächsten drei Jahren werden 140.000 neue Jobs geschaffen", schreibt die Zeitung. Damit wird die Arbeitslosenrate von 8,6 auf 7,8 Prozent zurückgehen.
De Standaard hat eine weitere gute Neuigkeit: "Die Löhne und Gehälter werden wieder steigen", so die Schlagzeile. Demnach ist im nächsten Jahr Schluss mit der Lohnmäßigung. Dann sollen die Gehälter wieder um zwei Prozent steigen.
"Na bitte! Die Rechnung der Regierung scheint ja aufzugehen", freut sich Het Belang van Limburg. Jobs Jobs Jobs, so lautete ja das Credo von Premierminister Charles Michel. Und in der Tat: Innerhalb der nächsten drei Jahre sollen 140.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Eine Arbeitsstelle, das ist immer noch die sozialste aller Maßnahmen. Und eigentlich gibt es jetzt auch keinen Grund mehr für politisch motivierte Streiks.
Jobs oder Haushaltsgleichgewicht?
Das ist aber nur die halbe Wahrheit, warnt Le Soir. Immer noch der Nationalbank zufolge müssen in den nächsten drei Jahren auch neun Milliarden Euro gefunden werden, um den Haushalt ins Gleichgewicht zu bringen. Das heißt wohl in der Praxis: Die Regierung wird an neuen Sparmaßnahmen nicht vorbeikommen. Und hier besteht die Gefahr, dass man dadurch das ohnehin zaghafte Wachstum gleich wieder abwürgt.
De Standaard sieht dieselbe Gefahr. Neun Milliarden Euro zu finden, das ist kein Pappenstiel. Nicht nur, dass man riskiert, mit neuen Sparmaßnahmen die Konjunktur zu deckeln. Vor allem braucht man für eine solche Sanierungsoperation eine Koalition, die über ein gehöriges Maß an Zusammenhalt verfügt. Das allerdings hat man in diesem "Kabel-Kabinett" von Anfang an vermisst. Deswegen sollte sich die Regierung doch für die Jobs und nicht für das Haushaltsgleichgewicht entscheiden.
Het Laatste Nieuws teilt die Analyse aber nicht das Fazit. "Diese Regierung soll neun Milliarden Euro finden? Nie im Leben!", meint das Blatt. Dazu braucht man Teamgeist und Heldenmut. Zwei Dinge, die man bei dieser Regierung vergeblich sucht. Das allerdings kann und darf es nicht sein! "Stellt euch auf die Hinterbeine!", fordert das Blatt. Die Staatsfinanzen müssen saniert, der Schuldenberg abgetragen werden! Dieses Land braucht politischen Mut! Nicht fünf Minuten, sondern noch drei Jahre, bis zur Wahl 2019!
Het Nieuwsblad stellt seinerseits den Lokführer in den Vordergrund, den 47-jährigen Marc De Geyter: "Er starb während seines Traumjobs", so die Schlagzeile. In La Dernière Heure macht der Vater des Lokführers die SNCB für die Katastrophe verantwortlich: "Ich werde die Bahn verklagen", sagt der Mann...
Roger Pint - Bild: Benoit Doppagne/BELGA