"Die Terroristen hatten es auf Paris abgesehen, nicht auf Brüssel", titelt Le Soir. "Sie entschieden sich für Brüssel, weil sie Angst vor einer Festnahme hatten", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins.
Nach der Festnahme von zwei Schlüsselfiguren sickern immer mehr Einzelheiten aus den ersten Verhören durch. Am vergangenen Freitag war ja zunächst Mohammed Abrini verhaftet worden. Nach ihm wurde schon seit den Pariser Anschlägen gefahndet. Er soll inzwischen bereits zugegeben haben, der "Mann mit Hut" gewesen zu sein, also der dritte Terrorist vom Brussels Airport, der sich nicht in die Luft sprengte.
"Müssen wir ihm das glauben?", fragen sich mehrere Blätter. "Nein!", antwortet ein Terrorismusexperte in Het Laatste Nieuws. Er glaubt vielmehr an ein Ablenkungsmanöver. Die Föderale Staatsanwaltschaft gab ihrerseits an, über eindeutige Beweise zu verfügen, angesichts derer Abrini letztlich gestehen musste. Offenbar haben die Ermittler unter anderem eine moderne Gesichtserkennungs-Software benutzt. Het Laatste Nieuws berichtet auf einer ganzen Seite, wie das im Einzelnen funktioniert. Demnach reichen Bilder einer Überwachungskamera, um eine Gesichtsform zu analysieren und mit einem Verdächtigen abzugleichen.
"Brüssel war Plan B"
Abrini soll also ebenfalls ausgesagt haben, dass Brüssel ursprünglich nicht das Ziel war. "Die Terroristen wollten bei der Fußball-EM in Frankreich zuschlagen", berichtet Het Nieuwsblad. Die Zeitung beruft sich auf Informationen der französischen Kollegen von Libération. Nach der Verhaftung von Salah Abdeslam wurde der Plan kurzfristig geändert. Aus Angst, ebenfalls festgenommen zu werden, entschloss sich die Terrorzelle, sofort und quasi vor der Haustüre loszuschlagen. "Brüssel war Plan B", bemerken denn auch Le Soir und De Standaard.
Die Bomben von Brüssel explodierten vier Tage nach der Verhaftung von Salah Abdeslam. Entsprechend gilt auch seit dem vergangenen Freitag wieder erhöhte Wachsamkeit. La Dernière Heure bringt heute eine verstörende Information. Demnach wurde eine SMS abgefangen, die ein Dschihadist aus Syrien an seine Mutter in Belgien geschickt hat. "Mama, bleib an diesem Montag zu Hause", so der Wortlaut.
Ob die Terroristen wirklich ihre Pläne geändert und sich quasi nur unter Druck für Brüssel entschieden haben, das sei dahingestellt. La Dernière Heure etwa glaubt Abrini prinzipiell kein Wort. Warum sollten diese Leute plötzlich mit den Behörden kooperieren? Seien wir doch nicht naiv! Diese Typen werfen eine Nebelgranate nach der anderen. Denn nicht vergessen: Die Terrorzelle, der Abdeslam und Abrini angehörten, ist noch nicht tot.
Belgien hat eine einmalige Chance
Het Laatste Nieuws sieht das genauso. Die Terroristen lügen, dass sich die Balken biegen. Eigentlich ist jedes Verhör verlorene Zeit. Dennoch: Die Belgier haben hier eine einmalige Chance. Keinem Land der Welt ist es bislang gelungen, gleich drei Schlüsselfiguren einer islamistischen Terrorgruppe lebend zu fangen. Wenn sie auch viel Unsinn erzählen werden, vielleicht kann man aus diesen Terroristen mit viel Geduld und Professionalität doch noch wertvolle Informationen herauskitzeln.
Het Nieuwsblad kann seinerseits nur einmal mehr feststellen, dass die Terroristen keine Landesgrenzen kennen. Wenn nicht Paris, dann eben Brüssel. Da stellt sich die Frage: Wo ist eigentlich die EU? In Brüssel ist man jedenfalls offensichtlich nach wie vor mehr mit sich selbst beschäftigt. Da geht es zum Beispiel um die Frage, wie groß die Buchstaben auf einem Joghurtbecher sein dürfen. Anscheinend ist in die Elfenbeintürme im Europaviertel immer noch nicht durchgedrungen, dass es in den letzten vier Monaten in Europa 160 Tote nach Terroranschlägen gegeben hat, meint das Blatt.
Haushaltskontrolle, Panama-Papers...
Zweites großes Thema sind heute die Ergebnisse der Haushaltskontrolle. "Wie die Regierung glaubt, 2,2 Milliarden Euro gefunden zu haben", schreibt Le Soir auf Seite eins. Het Laatste Nieuws nennt seinerseits die Zahl 1,6 Milliarden. Das Blatt fügt aber hinzu, dass das nur der Anfang ist. "Im Sommer muss die Koalition 3,6 Milliarden auftreiben", so die Schlagzeile auf Seite eins.
Das Abkommen der Regierung umfasst mehrere Kapitel. In Bezug auf den eigentlichen Haushalt vermissen viele Blätter eine wirkliche entschlossene Antwort auf den Skandal um die Panama-Papers. Dies erst recht vor dem Hintergrund, dass die Dexia-Banken zu den besten Kunden der Kanzlei in Panama gehört hat; eben die Bank also, für deren Rettung der Staat Milliarden auf den Tisch legen musste.
Het Belang van Limburg nennt diese Erkenntnis "schrecklich". Denn nicht vergessen: Im Aufsichtsrat von Dexia saß damals ein Haufen Politiker. Jetzt erst recht wird es Zeit, dass die Regierung dafür sorgt, dass wirklich jeder die Steuern zahlt, die er zahlen muss.
L'Avenir sieht keinen entsprechenden Willen. Naja, vielleicht werden wir ja eines Besseren belehrt, meint das Blatt. In dem Moment wird die Regierung aber erklären müssen, warum es auf einmal doch so einfach ist, Steuerhinterziehung zu bekämpfen.
Gazet van Antwerpen zieht eine Parallele zum Antiterror-Kampf. So wie der Polizei und der Justiz die Mittel fehlen, so sitzt auch der Fiskus auf dem Trockenen. In beiden Fällen ist das der Beweis für das Unvermögen und die Ohnmacht des Staates.
...und Strukturreformen
Vor allem die frankophonen Blätter beschäftigen sich ihrerseits mit den Strukturreformen, die das Abkommen enthält. Allen voran mit der geplanten Abkehr von der 38 Stunden-Woche. Mehr Flexibilität: einverstanden, meint etwa Le Soir. Aber nicht so! Wie schon beim Tax-Shift und bei der Pensionsreform denkt die Regierung auch hier ihre Ideen nicht zu Ende. Man denkt nur an die Arbeitgeber. Für den kleinen Mann gibt es mal wieder keinen Ansporn, keine Perspektive.
La Libre Belgique denkt in dieselbe Richtung. Eine Möglichkeit wäre etwa, die Mitarbeiter viel mehr als bisher an den Geschäftsergebnissen ihres Unternehmens zu beteiligen. Darüber sollten eigentlich Arbeitgeber und Gewerkschaften im Rahmen des Sozialen Dialogs beraten, in der Hoffnung, dass dabei Lösungen herauskommen, die dem 21. Jahrhundert gerecht werden.
Roger Pint - Bild: Nicolas Maeterlinck (belga)