"Haben Sie diesen Mann gesehen?", fragt La Libre Belgique auf ihrer Titelseite und zeigt neue Bilder des dritten Attentäters vom Brüsseler Flughafen. "Die Polizei startet einen neuen Zeugenaufruf: Die Suche nach dem 'Mann mit Hut' geht weiter", schreibt Le Soir. "Ein Mann mit einem Ziel", titelt De Morgen. In Het Laatste Nieuws geben sich die Ermittler zuversichtlich: "Dank dieser Bilder müsste der Terrorist erkannt werden".
Mehr als zwei Wochen nach den Anschlägen startet die Föderale Staatsanwaltschaft einen neuen Zeugenaufruf. Gefahndet wird weiter nach dem "Mann mit Hut", dem dritten Attentäter vom Brussels Airport. Nach der Auswertung der Aufnahmen zahlreicher Überwachungskameras ist es den Ermittlern gelungen, den Fluchtweg des Mannes zumindest teilweise zu rekonstruieren. Nach den Explosionen verlässt er das Flughafengelände und legt die Strecke von Zaventem bis nach Brüssel zu Fuß zurück. Dabei muss er sich irgendwann seiner hellen Jacke entledigt haben. Das letzte Mal erfassen die Kameras ihn um 09:50 Uhr in der Brüsseler Gemeinde Schaerbeek. Durch das neue Fahndungsvideo erhofft sich die Polizei weitere Hinweise aus der Bevölkerung zur Identität des Mannes oder zum Verbleib der Jacke, um möglicherweise darauf DNA-Spuren sicherzustellen zu können.
La Dernière Heure weiß inzwischen, was ein anderer Verdächtiger, der drei Tage nach den Anschlägen bei einer filmreifen Polizeiaktion in Schaerbeek angeschossen und verhaftet wurde, in seinem Rucksack hatte. Der 38-jährige Algerier, der in direktem Zusammenhang mit dem im französischen Argenteuil vereitelten Anschlag stehen soll, transportierte keine Waffen oder Sprengstoff, sondern Schlachtabfälle und Tierexkremente. Nach Recherchen der Zeitung könnte der radikale Islamist versucht haben, eine biologische Waffe zu basteln.
Fehler wurden gemacht, aber Belgien ist nicht an allem Schuld
Le Soir kommt auf die harsche Kritik des Auslands bezüglich der Versäumnisse und Pannen der belgischen Behörden bei der Terrorbekämpfung zurück: Es ist lächerlich, jetzt unserem Land die Schuld an Allem in die Schuhe schieben zu wollen. Dem pflichtet auch De Morgen bei: Belgien ist kein gescheiterter Staat. Trotzdem muss man der Wahrheit ins Auge sehen: Es sind Fehler gemacht worden. Die Schuld ist auch strukturell bedingt: Durch die Zerstückelung der Zuständigkeiten will in diesem Land niemand Verantwortung für irgendetwas übernehmen.
Absurd ist etwa die Hauptstadt Brüssel mit ihren 19 Bürgermeistern und sechs Polizeizonen. Für die Frankophonen ist das Thema allerdings tabu. Die Zeitung hält dagegen: Die dezentralisierten Polizeibezirke mit ihrer vielgelobten Bürgernähe haben kein einziges der Terroristenverstecke auf dem Schirm gehabt. In Wirklichkeit geht es nur um Machterhalt und Pöstchenvergabe. Aber auch die Flamen haben ihre Tabus: Die jahrzehntelange Besessenheit, den Zentralstaat auszuhöhlen, hat Polizei und Justiz geschwächt. Alle zusätzlichen Mittel sind an die Teilstaaten geflossen, notwendige Investitionen auf föderaler Ebene verhindert worden. "Liebe flämische Politiker, können wir da vielleicht auch mal drüber reden?", fragt De Morgen anklagend.
Erneut Panne in Doel 1 - diesmal im nuklearen Teil
Eine andere Panne sorgt für die Aufmachergeschichte von De Standaard: "Antwerpener Provinzgouverneurin besorgt wegen Doel", titelt die Zeitung. In der Nacht zum Donnerstag war es im Meiler Doel 1 zu einer Notabschaltung gekommen. Kopfschmerzen bereitet Gouverneurin Cathy Berx die Tatsache, dass die Pannenserie im ältesten AKW des Landes nicht abreißt - und dass der Vorfall sich jetzt erstmals im nuklearen Teil der Anlage ereignet hat. Sie fordert eine lückenlose Aufklärung durch die Atomaufsichtsbehörde FANK. Betreiber Electrabel war erst am Donnerstagnachmittag mit Details zur Panne an die Öffentlichkeit gegangen. Viel zu spät, meint De Standaard.
Die Behörden dürften sich nicht weiter mit den halbherzigen Erklärungen von Electrabel abspeisen lassen. Der Protest gegen die belgischen Atommeiler, der bislang vor allem von den deutschen und niederländischen Nachbarn kam, formiert sich jetzt zunehmend auch hierzulande.
Europa braucht einen Nelson Mandela
Unter anderem Gazet van Antwerpen befasst sich mit dem niederländischen Nein zum Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine. Für die Zeitung ist klar: Es ging den Gegnern überhaupt nicht um den Vertrag an sich, ihre Kritik richtet sich gegen die Europäische Union. Der Rechtspopulist Geert Wilders spricht bereits vom "Anfang vom Ende der EU". Er übertreibt natürlich maßlos - trotzdem stimmt: Die EU ist in Gefahr. Im Juni steht ein Referendum in Großbritannien an. Sollte Marine Le Pen die Wahl in Frankreich gewinnen, droht auch sie mit einem EU-Austritt.
Europa braucht einen Nelson Mandela, um den europäischen Geist wiederzubeleben, so das Blatt. Etwas, was wir von Jean-Claude Juncker nicht erwarten können.
Alain Kniebs - Bild: John Thys/AFP