"Der Flughafen kann wieder geöffnet werden", jubelt Het Laatste Nieuws. Das hat allerdings seinen Preis, wie andere Blätter hervorheben: "Neue Kontrollen vor dem Betreten der Abflughalle", titelt Het Belang van Limburg. "Es kommt eine vollständige Überprüfung der Passagiere und des Gepäcks vor dem Flughafen", schreibt auch Gazet van Antwerpen auf Seite eins.
Genau das hatten die Polizeigewerkschaften immer gefordert. Und bei den Verhandlungen mit dem Innenministerium sind die Vertreter der Ordnungskräfte hart geblieben. Ohne die neue Sicherheitsschleuse vor der Abflughalle wollten die Flughafenpolizisten ihre Arbeit nicht mehr aufnehmen. Dabei ist die Idee durchaus umstritten. Auch einige Minister hatten am Freitag davor gewarnt, dass man damit nur neue Warteschlangen produziert, die dann auch wieder Terrorziele sein könnten. "Am Ende hat sich aber die Regierung den Polizeigewerkschaften gebeugt", schreibt De Morgen.
Zaventem: Roter Teppich für Terroristen?
Von einem Kompromiss kann jedenfalls nicht die Rede sein, meint das Blatt in seinem Leitartikel. Die Polizeigewerkschaften haben aller vernünftigen Gegenargumente zum Trotz an ihrer Forderung festgehalten. So wird also eine Situation entstehen, von der Terroristen nur träumen können: eine große, noch dazu ungeschützte Menschenansammlung. Zu allem Überfluss wird hier womöglich ein Präzedenzfall geschaffen: Warum sollte das, was für den Flughafen nötig sein soll, nicht auch für Konzertsäle, Kinos oder Supermärkte gelten?
Die Terroristen schmeißen sich weg vor Lachen, meint auch Het Laatste Nieuws in einem wütenden Kommentar. Nicht nur, dass hier das Risiko einfach nur verlagert wird. Hinzu kommt: Die Terroristen haben es geschafft, dass ein Flughafen, das Symbol für den freien Personen- und Warenverkehr, die Flügel gestützt bekommt und regelrecht erlahmt. Damit haben sie ihr niederträchtiges Ziel mehr als erreicht. Jetzt hat man jedenfalls ein Beispiel dafür, wie weh das tut, wenn wir einen Teil unserer Freiheit opfern müssen. Und was kriegen wir dafür? Absolute Sicherheit? Vergessen Sie es!
Het Nieuwsblad kann nur feststellen, dass die meisten internationalen Flughäfen wie Paris, New-York oder London auf solche Sicherheitsvorkehrungen verzichten. Einzige Ausnahme ist Tel-Aviv. Die Polizeigewerkschaften haben hier allerdings nicht mehr als ein Luftschloss gebaut. Und dabei wird man den Eindruck nicht los, dass sie die Tragödie vom 22. März im Grunde fast schon missbraucht haben, um ihre zum Teil langgehegten Forderungen jetzt endlich durchzudrücken. Die wären damit allerdings nicht die einzigen, die in den Ereignissen eine Gelegenheit sehen, alte Rechnungen zu begleichen. Das haben auch schon diverse Politiker getan, allen voran der Brüsseler PS-Bürgermeister Yvan Mayeur.
Zwischenbilanz zehn Tage nach den Anschlägen
La Libre Belgique zieht jetzt, anderthalb Wochen nach den Anschlägen, eine erste, ausgedehnte Zwischenbilanz - und zwar in Form eines 30-seitigen Sonderteils. Angesichts der Kritik, die von allen Seiten auf Belgien hereinprasselt, stellt das Blatt vor allem zwei Fragen: Was ist wirklich passiert? Und wie kann man die Fehler künftig vermeiden?
La Libre bringt dazu auch ein Interview mit Premierminister Charles Michel. Dessen Warnung auf Seite eins ist deutlich: "Es wird wohl weitere Anschläge in Europa geben, vielleicht sogar in Belgien", wird der Regierungschef zitiert.
Die internationale Kritik weist der Premier in Teilen zurück. Natürlich müsse man die Lehren aus der Tragödie ziehen. Allerdings dürfe man das Kind nicht mit dem Bad ausschütten. Nach dem 11. September 2001 hätte schließlich auch niemand den amerikanischen Föderalismus in Frage gestellt.
"Und niemand habe seinerzeit die USA als einen 'Failed State', einen gescheiterten Staat bezeichnet", fügt Innenminister Jan Jambon im Interview mit Gazet van Antwerpen hinzu. Auch der Vorwurf an Belgien, wonach man hierzulande die terroristische Bedrohung nicht ernst genommen habe, sei blanker Unsinn, sagt der N-VA-Politiker.
Ähnlich äußert sich auch Justizminister Koen Geens im Gespräch mit De Standaard und Het Nieuwsblad. Wo Menschen zusammenarbeiten, da komme es nun mal zu Fehlern, räumt der CD&V-Politiker ein. Zu behaupten, dass die belgischen Strukturen veraltet und nicht mehr zeitgemäß seien, das entspreche nicht der Realität. Geens bedauert aber ausdrücklich den politischen Kleinkrieg, der zeitweise zu beobachten war. Die Tatsache, dass einige sich im Fahrwasser der Anschläge profilieren wollen, das politische Krakeele, all das habe ihn fast schon genauso verletzt wie die Anschläge selbst, sagt Koen Geens.
Auch Het Laatste Nieuws bringt heute ein Gespräch mit Charles Michel. Darin schildert er, wie er den 22. März und die Tage danach erlebt hat. In einem solchen Moment sei das Amt am wichtigsten, sagt Michel: Erst sei man Premier, dann erst Mensch. Er habe sich aber in seiner ganzen Laufbahn "noch nie so einsam gefühlt".
LKW-Maut sorgt für Chaos
Einige Zeitungen befassen sich heute aber auch mit der Einführung der LKW-Maut. "Das Inkrafttreten der Kilometerabgabe sorgte für ein Chaos", stellt L'Echo auf seiner Titelseite fest. Schuld war zunächst die Maut selbst, genauer gesagt die sogenannten Onboard-Units. Mit diesem Gerät werden die zurückgelegten Kilometer und auch die dabei benutzten Straßen erfasst. Problem war nur, dass offenbar nicht genug Onboard Units zur Verfügung standen. Außerdem beklagt die Branche, dass die Technologie noch nicht ausgereift sei.
In der Wallonie war das Chaos am Freitag aber komplett, nachdem wütende LKW-Fahrer an vielen Stellen Straßensperre errichtet hatten. Das sorgte für zum Teil enorme Verkehrsbehinderungen. einige Menschen haben endlose Stunden im Stau verbracht - manchmal einen halben Tag und mehr; "Wut und Chaos auf den Straßen", bilanziert auch L'Avenir. Die Wallonische Region stellt jetzt Kompensationen in Aussicht, um die Kosten für die Spediteure abzufedern.
Das alles war ein denkbar schlechter Auftakt für ein gutes System, resümiert Gazet van Antwerpen in ihrem Leitartikel. Die Transportbranche muss einsehen, dass sie ihren Beitrag zum Straßenunterhalt leisten muss. Es kann doch nicht sein, dass unzählige LKW jahraus jahrein unsere Straßen abnutzen, ohne dass man dafür einen Ausgleich verlangt. Diese Argumente haben auch durch das Chaos am Freitag nicht ihre Gültigkeit verloren.
Verkappte Steuer?
Het Belang van Limburg sieht das anders. Nicht nur, dass die Maut einen gehörigen Fehlstart hingelegt hat; auch ihre Existenzberechtigung bleibt fraglich. Die Kilometerabgabe soll ja angeblich dafür sorgen, dass weniger LKW verkehren. Bleibt nur die Frage: Welche wäre denn die Alternative? Die Maut ist nichts anderes als eine verkappte Steuer, die am Ende ohnehin an die Verbraucher weitergereicht wird.
Für L'Avenir schließlich hat der gestrige Tag eine Reihe von Fragezeichen hinterlassen. Warum etwa ist der Sektor erst am Freitag aufgewacht? Dass eine Maut kommen würde, war doch längst bekannt. Andere Frage: Wo war denn am Freitag der Aufschrei der Empörung? Wo waren denn die Kritiker, die die LKW-Fahrer an den Pranger gestellt haben, weil angeblich soundso viele Ärzte nicht zu ihren Patienten gelangt sind? Davon abgesehen: Angesichts der bekannten technischen Probleme hätte man die Einführung der Maut eigentlich verschieben müssen. Es war im Grunde die Chronik eines angekündigten Chaos.
Roger Pint - Bild: Virginie Lefour/BELGA