"Der Brussels Airport ist bereit, die Polizei nicht", titelt De Standaard. "Die Polizei hält den Flughafen geschlossen", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad.
Zehn Tage nach den Anschlägen von Brüssel wäre der Landesflughafen Zaventem wieder bereit, den Flugbetrieb zumindest teilweise wieder aufzunehmen. Nach Angaben der Verantwortlichen sind die provisorischen Check-In-Einrichtungen jetzt einsatzbereit; auch die entsprechenden Genehmigungen lägen vor. Jetzt warte man nur noch auf das grüne Licht der Regierung.
Das allerdings hängt im Wesentlichen vom Verlauf der Verhandlungen mit den Polizeigewerkschaften ab. In einem offenen Brief hatten Mitglieder der Ordnungskräfte fast schon vernichtende Kritik an den Sicherheitsvorkehrungen am Brussels Airport geübt. Wichtigste Forderung ist, dass die Passagiere schon vor Betreten der Abflughalle ein erstes Mal kontrolliert werden. Anderenfalls droht die Flughafenpolizei mit Streik. Und das ist denn auch weiterhin der Stand der Dinge. "Es bleiben Zweifel in Bezug auf die Sicherheit am Brussels Airport", so die Schlagzeile von L'Écho.
Forderungen der Polizei "unrealistisch"
Einige Leitartikler bringen aber nur bedingt Verständnis auf für die Haltung der Flughafenpolizei. Es stimmt wohl, dass die Ordnungskräfte am Brussels Airport über zu wenig personelle und materielle Mittel verfügen, meint etwa L'Écho. Ob Kontrollen vor Betreten der Abflughalle sinnvoll sind, das sei dagegen mal dahin gestellt. Wenn man auf diese Forderung eingeht, da stellt sich am Freitag die Frage, ob man ähnliche Maßnahmen nicht auch an den Eingängen zu Bahnhöfen ergreifen muss. Und danach sind es Restaurants, Hotels, Supermärkte und Konzertsäle. Das ist wohl der falsche Weg.
Auch Het Belang van Limburg hält die Forderung der Flughafenpolizei für unrealistisch. Wenn man Kontrollen an den Eingängen der Abflughalle vornimmt, dann werden sich dort lange Warteschlangen bilden. Große Menschenmassen also. Das wäre dann auch wieder der ideale Ort für einen Anschlag mit viele Toten und Verletzten. Die Gefahr würde damit also um keinen Deut kleiner.
De Morgen bringt exakt dasselbe Argument. Die Problematik würde nur verlagert. Ganz davon abgesehen: Selbst, wenn die Terroristen am Ende die Flughäfen links liegen lassen würden, dann ändert das nichts an der Bedrohung an sich. In Paris hatten es die Terroristen auf einen Konzertsaal und einige Terrassen abgesehen. Und solche Ziele gibt es überall zuhauf. Wenn man auf die Forderung der Polizeigewerkschaften eingeht, dann befeuert man damit allenfalls eine heillose Sicherheitshysterie. Es ist Zeit, endlich die unbequeme Wahrheit zu akzeptieren: 100-prozentige Sicherheit gibt es nicht.
Apropos: Die Organisation "Ceci n'est pas une crise" hat in einer Umfrage versucht, den derzeitigen Gemütszustand der Belgier zu ergründen. Ein Fazit steht auf Seite eins von Le Soir: "Die Hälfte aller Belgier will die Grenzen schließen". Ebenfalls die Hälfte der Befragten setzt Flüchtlinge, Muslime und Terroristen im Wesentlichen gleich. Die Tatsache, dass in solchen Fragen die sich gegenüber stehenden Lager quasi gleich groß sind, führt Le Soir zu einer weiteren Schlussfolgerung: "Nach den Attentaten sind die Belgier gespaltener denn je".
Gazet van Antwerpen und Het Nieuwsblad heben eine andere Erkenntnis aus der Umfrage hervor: "Der Belgier empfindet nach den Anschlägen mehr Wut als Angst". Demnach ist nur einer von fünf Befragten seit den Anschlägen ängstlicher geworden. Zugleich sind aber acht von zehn davon überzeugt, dass das wohl nicht der letzte Anschlag in Belgien war. Die Wut, die viele Bürger empfinden, die richtet sich übrigens in erster Linie auf den Staat, der nicht dazu im Stande sei, die Menschen zu schützen, wie Het Nieuwsblad unterstreicht. Kurz und knapp: Die Politik ist schuld.
"Kühler Kopf bewahren!"
Die Umfrage illustriert wohl perfekt die Achterbahn der Gefühle, die viele Menschen im Moment empfinden, meint Het Belang van Limburg in seinem Leitartikel. Der Belgier ist quasi wütend und traurig zugleich. Beide Gefühle sind nachvollziehbar. Irgendwann hat jeder von uns den Song "Imagine" von John Lennon einmal zu oft gehört. Und dann schlägt die Trauer in Wut um. Die richtet sich im vorliegenden Fall nicht nur gegen den Staat, sondern auch pauschal gegen die Muslime. In den nächsten Tagen und Wochen wird es wichtig sein, zu einem kühlen Kopf zurückzufinden. Denn nur so sind eine Ursachenanalyse und auch die Suche nach nachhaltigen Lösungen wirklich möglich.
Auch Gazet van Antwerpen appelliert an die Besonnenheit. Im Moment scheint alles zur Disposition zu stehen. Viele Interessengruppen wollen jetzt die Gelegenheit beim Schopf packen, um ihre lang gehegten Forderungen endlich durchzusetzen. Die einen plädieren für noch mehr Regionalisierung, die anderen für eine Stärkung des Föderalstaats. Wieder andere wollen, dass ihre sekuritären Wunschträume jetzt endlich Wirklichkeit werden. Entscheidungen unter dem Eindruck von Emotionen zu treffen, das hat allerdings selten etwas gebracht. Dass der Flughafen explodiert ist, das ist schon schlimm genug. Lasst uns jetzt nicht auch noch das Land in die Luft jagen!
Gescheiterte Integrationspolitik
Einige Zeitungen befassen sich mit der Entscheidung der Regierung, wonach Neuankömmlinge sich künftig zu den demokratischen Grundprinzipien bekennen müssen. Le Soir hält das für ein Feigenblatt. Mit einer simplen Absichtserklärung löst man nicht wie von Geisterhand die Integrationsproblematik. Das passt aber zur bisherigen Politik dieser Regierung, die sich viel zu oft auf rein repressive Maßnahmen beschränkt. Die Wurzel des Problems bleibt damit unangetastet.
Die Integrationspolitik war bislang ein tabu, glaubt auch L'Avenir. Dass die Wallonie erst jetzt, zehn Jahre nach den Flamen, einen Integrationsparcours beschlossen hat, zeigt das ganze Ausmaß des Scheiterns. Da steht der Verdacht im Raum, dass man eine ganze Bevölkerungsgruppe über Jahrzehnte hinweg bewusst und aktiv ignoriert hat.
Roger Pint - Bild: Virginie Lefour/BELGA