"Eine Woche danach, aber noch keinen Schritt weiter", titelt Het Nieuwsblad. "Die Polemik nimmt zu, das Klima wird rauer", schreibt La Libre Belgique. "Niemand fühlt sich verantwortlich", fasst De Standaard zusammen.
Eine Woche nach den mörderischen Anschlägen von Brüssel beherrscht das Thema weiter Titelseiten und Leitartikel. Die Ermittler haben am Montag einen schweren Rückschlag hinnehmen müssen: Der verdächtige Fayçal Cheffou ist nicht der gesuchte dritte Flughafen-Attentäter - der "Mann mit dem Hut" auf den Bildern der Überwachungskameras. Die Verdachtsmomente gegen ihn haben sich nicht erhärtet, deswegen musste Cheffou wieder auf freien Fuß gesetzt werden.
Het Nieuwsblad schlussfolgert: Wenn Salah Abdeslam weiter schweigt, kommen die Fahnder erstmal nicht weiter. Apropos Abdeslam: La Libre Belgique macht seinem Anwalt Sven Mary schwere Vorwürfe. Wenn der nicht vollmundig verkündet hätte, dass sein Mandant "auspacken" würde, wären Salahs mutmaßliche Komplizen möglicherweise nicht in Panik geraten und hätten die Anschläge nicht so stattgefunden.
L'Echo konstatiert: Polizei und Justiz haben Fehler gemacht. Trotzdem sollten wir unseren Sicherheitskräften jetzt nicht in den Rücken fallen. Natürlich müssen die Versäumnisse aufgearbeitet werden, zuerst müssen aber die Terroristen unschädlich gemacht werden. Da ist es sicher wenig hilfreich, wenn die Ermittler übermäßig durch Untersuchungsausschüsse gepiesackt werden.
"Das verdorbene Gedenken"
L'Avenir kommt auf den Hooligan-Aufmarsch am Ostersonntag an der Brüsseler Börse zurück: "Das verdorbene Gedenken", titelt das Blatt. Als ob die Trauer nach dem tragischen 22. März und die Enthüllung der Versäumnisse von Polizei und Justiz nicht schon genug wären, ist das Bild Belgiens in der Welt am Wochenende noch weiter beschädigt worden. Hintergrund ist die von Brüssels Bürgermeister Yvan Mayeur losgetretene Polemik. Der PS-Politiker wirft N-VA-Innenminister Jan Jambon vor, nichts gegen den Marsch der rechten Kräfte unternommen zu haben.
La Dernière Heure bringt auf ihrer Titelseite den Bürgermeister aber in die Bredouille: "Mayeur hat gelogen!" Die Zeitung präsentiert eine E-Mail der Sicherheitsbehörden, die bereits am Freitag vor dem geplanten Hooligan-Aufmarsch an der Börse warnte. Und die ging auch an die Brüsseler Polizeizone, für die Yvan Mayeur verantwortlich ist. Das Blatt hält dem PS-Politiker vor, dass auch er nichts gegen die braune Kundgebung unternommen und kein Verbot ausgesprochen habe.
Im Kreuzfeuer der Kritik steht auch Bart De Wever. Als einzige Partei hat die N-VA sich nicht von den Vorfällen am Sonntag distanziert. Het Laatste Nieuws kann das überhaupt nicht nachvollziehen. Keine klare Position gegenüber Rechts zu beziehen führt nur dazu, dass die flämischen Nationalisten selber in diese Ecke gestellt werden.
Mal wieder alle Belgien-Klischees bedient
Het Nieuwsblad hält fest: Vor den Augen der Weltöffentlichkeit hat sich Belgien am Wochenende mal wieder bis auf die Knochen blamiert. Alle gängigen Belgien-Klischees wurden bedient: Der Eindruck eines "gescheiterten" Staates steht wieder im Raum. Und das Schwarzer-Peter-Spiel auf höchstem Niveau geht weiter. Gerade die Politiker, die jetzt einen kühlen Kopf bewahren sollten, geben ein erbärmliches Bild ab. Het Belang van Limburg stößt in das gleiche Horn: Wir brauchen jetzt keine Politiker, die sich gegenseitig die Köpfe einschlagen, sondern welche, die zusammenarbeiten, um die Situation zu stabilisieren und die Lehren aus den gemachten Fehlern ziehen.
Auch De Standaard ist kritisch: Niemand fühlt sich verantwortlich für das Hooligan-Desaster an der Börse - weder Innenminister Jan Jambon noch die Bürgermeister von Brüssel und Vilvoorde, Yvan Mayeur und Hans Bonte. Das ist symptomatisch für Belgien, meint die Zeitung. Der Staat ist an vielen Stellen suboptimal aufgebaut. Inzwischen ist der Preis dafür aber nicht mehr nur die Verschwendung von Steuergeld, inzwischen hat das schon Blut gekostet. Um unsere gemeinschaftspolitischen Probleme zu lösen, haben wir staatliche Strukturen aufgeteilt und Zuständigkeiten vervielfacht. An Effizienz wurde dabei aber nie gedacht.
Dem pflichtet ebenfalls Le Soir bei und fordert: "Es muss sich etwas ändern in diesem Land". Wir brauchen endlich mehr Zusammenarbeit zwischen allen Ebenen. Angesichts der offensichtlichen Defizite muss man sich fragen, auch wenn es beschämend ist, ob der Staat nicht eine Mitschuld trägt am Tod von 35 unschuldigen Menschen letzten Dienstag in Brüssel.
In De Morgen fordern elf bekannte belgische Persönlichkeiten aus Kultur, Wissenschaft und Politik einen "Neustart Belgiens". Zentrale Argumente sind der Wunsch nach mehr Zusammenarbeit, weniger komplizierten Strukturen und mehr Professionalität.
Probebetrieb in Zaventem
Am Brüsseler Flughafen läuft derweil heute ein Probelauf mit 800 Testpersonen. Mit ihrer Hilfe soll die Funktion der temporären Abfertigungseinrichtungen geprüft werden. Verläuft der Test zufriedenstellend, könnte der Betrieb in Zaventem am Mittwoch teilweise wieder aufgenommen werden. Flughafenchef Arnaud Feist erklärte aber in L'Echo: "Es wird noch Monate dauern, bevor der Brussels Airport wieder normal funktioniert."
Alain Kniebs - Bild: John Thys/AFP