"Europa macht die Schotten dicht", titelt Gazet van Antwerpen. "Die EU will die Balkanroute schließen", schreibt Le Soir. "Europa ist von der Türkei abhängig", bemerkt La Libre Belgique auf Seite eins.
Bei ihrem Krisengipfel in Brüssel wollen die Staats- und Regierungschefs der EU heute gemeinsam mit der Türkei Vereinbarungen treffen, um die Zahl der Flüchtlinge zu reduzieren. Dieser Gipfel soll aber nicht wieder mit Streit und leeren Versprechungen enden. Diesmal soll gehandelt werden. Europa will glasklare Ansagen machen, wie unter anderem Le Soir erklärt. In der vorbereiteten Abschlusserklärung für den Gipfel heißt es wörtlich: "Der irreguläre Strom der Migranten entlang der Balkanroute geht zu Ende. Diese Route ist ab jetzt geschlossen". Wie De Morgen berichtet, soll der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu bereit sein, Migranten, die nicht aus Kriegsgebieten stammen und über die Türkei nach Griechenland geflohen sind, zurückzunehmen.
"Europa auf der Seite der Unmoralischen"
Le Soir meint: Nachdem die nördlichen EU-Staaten Griechenland und Italien jahrelang in der Flüchtlingsproblematik im Stich gelassen haben, droht in ganz Europa Chaos. Jetzt, wo die Europäische Union am Rande des Abgrunds steht, ist plötzlich doch noch eine gemeinsame Lösung möglich. "Aber was für eine?!", kritisiert das Blatt. Europa macht dicht und schließt die Grenzen für illegale Flüchtlinge. Es ist genau die umstrittene Lösung, die der so sehr verteufelte ungarische Premierminister Viktor Orban bereits im vergangenen September vorgeschlagen hatte. Furchtbar, dass Europa sich am Ende ausgerechnet auf die Seite der Unmoralischen schlägt.
Auch La Libre Belgique sieht die europäischen Werte in Gefahr. Es sind nicht die Flüchtlinge, die für Chaos in der EU sorgen, sondern nationale Egoismen, fehlende Solidarität und politische Feigheit in vielen Hauptstädten. Die europäischen Staats- und Regierungschefs sind aber nicht nur politisch gescheitert, sondern auch auf ethischer und moralischer Ebene, findet die Zeitung. Europa, eine der reichsten Regionen der Welt, die sich darüber hinaus "Vorzeigedemokratie" schimpft, ist nicht dazu in der Lage, diejenigen, die vor Krieg flüchten, würdevoll aufzunehmen. Wir Europäer sind wie besessen vom Schutz der Außengrenzen. Werte wie Empathie, Großzügigkeit und Brüderlichkeit sind auf einmal nur noch zweitrangig.
De Morgen kritisiert das geplante Abkommen mit der Türkei. Den jüngsten Vorstoß Ankaras gegen die Presse- und Meinungsfreiheit sind wir bereit auszublenden. Dabei ist die unter staatliche Aufsicht gestellte regierungskritische Zeitung bei weitem nicht der einzige Angriff auf die Grundfreiheiten. Die Regierenden in Ankara bauen die Türkei immer mehr zu einem autoritären Staat um. Und den Angriff gegen die Zeitung "Zaman" wertet das Blatt als einen Test. Die Türkei will herausfinden, auf wie viel Werte die EU bereit ist zu verzichten, im Gegenzug für weniger Flüchtlinge. Die Kritik an der Türkei dürfte besonders leise ausfallen. Ankara kennt also jetzt die Antwort: Europa ist zur Lösung der Flüchtlingskrise offenbar zu vielem bereit…
"Schwarze Null" wohl erst 2019
Het Belang van Limburg kommt auf den Fehlbetrag im föderalen Haushalt zurück, der vermutlich zwei Milliarden Euro betragen wird. Die zwei "gewöhnlichen" Optionen - sprich weitere Sparmaßnahmen oder neue Steuern - kommen für keine der vier Koalitionsparteien in Frage. Bleibt also nur der dritte Weg, bemerkt L'Avenir und der lautet: Verschiebung des ausgeglichenen Haushalts auf 2019. Darauf läuft es wahrscheinlich hinaus, meint auch De Morgen. Haushaltsministerin Sophie Wilmès von der MR erklärt auf der Titelseite: "Die schwarze Null darf kein Tabu sein". Besonders schwer damit dürfte es aber die N-VA haben, notiert Gazet van Antwerpen. Haushaltsdisziplin ist schließlich das Mantra der flämischen Nationalisten.
Het Laatste Nieuws sieht einen Konstruktionsfehler im belgischen Haus. Der Staat ist in den letzten Jahrzehnten keineswegs aus rationalen, sondern aus emotionalen Gründen geteilt worden. Die Institutionen, die Ausgaben tätigen, wurden verdrei- oder sogar vervierfacht. Effizienz sieht anders aus. Oft fehlen Skaleneffekte. "Small is beautiful". Klein ist oft aber auch teuer, gibt die Zeitung zu bedenken.
Landesverfassung nach deutschem Vorbild
"Bourgeois will eine flämische Verfassung", titelt De Standaard. Flanderns Ministerpräsident Geert Bourgeois (N-VA) wünscht sich ein eigenes Grundgesetz - nach dem Vorbild der Verfassungen der deutschen Bundesländer. Außerdem will er nicht mehr, dass Regional- und Föderalwahlen zusammenfallen. "Die Wahlen für das flämische Parlament dürfen nicht wie ein Zweite-Klasse-Wagon hinter dem Föderalen hängen", sagt Bourgeois. De Standaard findet den Zeitpunkt für die Forderungen sehr unpassend. Um das Milliardenloch im Haushalt zu stopfen, braucht es Vertrauen zwischen den Koalitionspartnern. Und das entsteht sicher nicht, wenn die N-VA ständig den Eindruck erweckt, dass sie sich nicht an ihre Abmachung, halten wird, die Gemeinschaftspolitik bis 2019 ruhen zu lassen.
Alain Kniebs - Bild: Patrick Hertzog/AFP