"272 Belgier kämpfen im Moment in Syrien", titelt Le Soir. "Ich bin die Mutter eines toten Syrienkämpfers", so die Schlagzeile von La Libre Belgique.
Die Problematik der Syrienkämpfer rückt wieder in den Fokus. Le Soir hat einen Bericht der föderalen Staatsanwaltschaft einsehen können, der quasi einer Bestandsaufnahme des Radikalismus in Belgien gleichkommt. Demnach sind insgesamt bislang fast 500 Belgier nach Syrien beziehungsweise in den Irak in den Krieg gezogen. 70 Prozent von ihnen haben sich der Terrororganisation IS angeschlossen.
La Libre Belgique bringt das Porträt einer Mutter, deren Sohn in Syrien getötet wurde. Die Frau kann den Verlust ihres Kindes nicht verwinden, vor allem wird sie von Schuldgefühlen geplagt.
Dazu passt eine Geschichte, die heute unter anderem in Het Nieuwsblad und De Morgen nachzulesen ist. Es geht um den 20- jährigen Abdelmalek aus Kortrijk, der vor einigen Monaten in den Dschihad zog. Seine Familie und seine Freunde hatten versucht, den jungen Mann von seinem Vorhaben abzubringen. Sogar ein befreundeter Wissenschaftler, der das Phänomen der Syrienkämpfer analysiert, redete immer wieder auf ihn ein. "Niemand konnte Abdelmalek zur Einsicht bringen", notiert denn auch Het Nieuwsblad. Jetzt wurde bekannt, dass der junge Mann aus Kortrijk im Irak einen Selbstmordanschlag verübt hat. "Er ging festentschlossen in den Tod", fasst es De Morgen zusammen.
Bart De Wevers "schießwütiges" Sondereinsatzkommando
Viele Zeitungen beschäftigen sich auch heute noch mit einem umstrittenen Einsatz der Antwerpener Polizei. Ein Sondereinsatzkommando hatte eine tobende 14-Jährige mit einem Plastikgeschoss "neutralisiert". Der Antwerpener Bürgermeister Bart De Wever lobte später die Vorgehensweise der neuen "Schnellen Eingreiftruppe" seiner Polizei. Kinderrechtler waren allerdings als Reaktion auf den Zwischenfall gleich auf die Barrikaden gegangen. Und wie De Standaard berichtet, hat jetzt auch das für die Polizei zuständige Kontrollgremium, das sogenannte Komitee P, eine Untersuchung eingeleitet.
"Ein Kind ist keine Zielperson", macht Het Nieuwsblad klar. Sicher: Das 14- jährige syrische Mädchen hat psychische Probleme. Und ja, sie wollte sich etwas antun. Aber rechtfertigt das gleich den Einsatz eines neunköpfigen Sondereinsatzkommandos? War es denn wirklich nötig, sofort zu schießen, ohne vorher zu versuchen, zu reden? Die Polizei sollte umsichtiger vorgehen.
Antwerpener Jugendarbeit per Plastikgeschoss
Man kann im vorliegenden Fall von einer "zu" schnellen Eingreiftruppe sprechen, meint auch Gazet van Antwerpen. Das traumatisierte Mädchen stellte, wenn überhaupt, dann für sich selbst eine Gefahr dar. Und in vielen anderen Städten gibt es bei der Polizei Teams, die darauf spezialisiert sind, mit Menschen zu reden und sie zur Vernunft zu bringen. Dass es im vorliegenden Fall kein Gesprächsangebot gab, ist nicht normal.
La Libre Belgique sieht in dem Vorfall ein Zeichen der Zeit. Das überharte Vorgehen der Polizei wird wohl ermuntert durch die markigen Aussagen gewisser sicherheitsverliebter Politiker. Antwerpen ist nämlich kein Einzelfall. Immer häufiger ist zu beobachten, dass ein konsequent repressives Vorgehen bevorzugt wird. In einem solchen Klima besteht die Gefahr, dass einzelne Beamte am Ende über die Stränge schlagen und unverhältnismäßige Gewalt anwenden.
Für La Dernière Heure lässt der "Plastikkugel-Zwischenfall" derweil tief blicken. Es ist bestimmt kein Zufall, dass das ausgerechnet in der Stadt von Bart De Wever passiert ist. Für den N-VA-Chef konnte es ja schon nicht schnell genug gehen, die Armee einzusetzen, die dann Polizeiaufgaben übernehmen musste. Und jetzt wird also Jugendarbeit mit Gewehren praktiziert. "Was kostet eigentlich ein Streetworker oder ein Sozialarbeiter?", fragt sich La Dernière Heure.
Ein belgobrasilianischer "Vielfraß"
Zahlreiche Blätter heben einen Megadeal hervor, der am Mittwoch abgeschlossen wurde. Der berühmte belgobrasilianische Bierbrauer AB InBev übernimmt seinen größten Konkurrenten SABMiller für unglaubliche 100 Milliarden Euro.
Und in diesem Stück spielen auch immer noch Belgier eine Rolle, wie L'Echo in seinem Leitartikel unterstreicht. Ein Viertel des Kapitals der neuen Mega-Brauerei wird sich in belgischen Händen befinden. Nicht umsonst bleibt auch der Hauptsitz in Belgien angesiedelt. Es kommt nicht alle Tage vor, dass ein kleiner Europäer den Angelsachsen zeigt, wie es geht.
L'Avenir fragt sich derweil, was AB InBev als nächstes plant. Nach der Übernahme von SABMiller hat der Konzern alle Konkurrenten aufgekauft, die in Reichweite lagen. Nicht auszuschließen ist, dass sich AB InBev jetzt nach anderen Betätigungsfeldern umschauen wird. Der Vielfraß hat vielleicht schon ein Auge auf andere Bereiche des Lebensmittelsektors geworfen.
Camerons Wunschliste
Verschiedene Zeitungen kommen zurück auf die Grundsatzrede des britischen Premiers David Cameron. Der hat jetzt im Zusammenhang mit der von ihm geforderten Reform der EU seine Wunschliste präsentiert. Dies auch mit Blick auf das Referendum, bei dem die Briten über einen möglichen Ausstieg aus der EU abstimmen sollen.
Die Europäer sollten den Briten nicht allzu hochmütig begegnen, meint Het Laatste Nieuws. Ein Brexit würde nämlich einen beispiellosen Gesichts- und Gewichtsverlust darstellen.
Für De Standaard ist Cameron auf dem Holzweg; und damit auch Bart De Wever, der den Briten schon seine Unterstützung zugesagt hat. Eine Abkehr von der zentralisierten EU mag vielleicht sympathisch klingen. Und zugegeben: Die heutige EU ist nicht der Inbegriff von Effizienz und auch nicht von Demokratie. Wer aber glaubt, dass eine Rückkehr zum eigenen Kirchturm effizienter wäre, der irrt sich gewaltig.
Roger Pint - Bild: Jasper Jacobs (belga)