"Argentinien gegen Belgien", prangt heute auf Seite eins von Het Nieuwsblad. "Auf dem Weg zum Ruhm", titelt La Libre Belgique. "Ganz Belgien träumt", so die Schlagzeile von Le Soir. Alle Zeitungen fiebern dem heutigen Viertelfinalspiel entgegen. Um 18:00 Uhr treffen die Roten Teufel auf Argentinien.
"Belgien gewinnt"
Die Albiceleste, die Nationalmannschaft Argentiniens, wird häufig mit ihrer Lichtgestalt gleichgesetzt, dem Star des Teams, Lionel Messi. "Alle gegen Messi", so denn auch die Schlagzeile von Het Belang van Limburg. Het Laatste Nieuws bringt auf seiner Titelseite eine Fotomontage, zu sehen ist besagter Lionel Messi, der mit dem Kapitän der Roten Teufel, Vincent Kompany, einen Tango tanzt. La Dernière Heure gibt sich da doch ein bisschen kämpferischer: "Messi, willkommen in der Hölle!", schreibt das Blatt auf Seite eins.
Aber selbst eingefleischte Messi-Fans sind sich sicher: "Belgien gewinnt". Das hat jedenfalls Gazet van Antwerpen ermittelt.
Het Laatste Nieuws bedient sich eines anderen Mittels, nämlich eines Tier-Orakels. Nach dem tragischen Tod von Paul dem Kraken musste man auf andere tierische Hellseher zurückgreifen. Um das Ergebnis vorherzusagen, müssen sie sich für eine Futterkiste entscheiden. Entweder die belgische oder die argentinische. Quintessenz: Nur das Erdferkel und der Springhase entschieden sich für den argentinischen Fressnapf. Der Elefant, der Jaguar, der Tiger und der Nasenbär votierten für Belgien. Resultat: Belgien gewinnt mit 4:2.
Ein Land in Ekstase
Im Grunde ist es aber unerheblich, ob die Roten Teufel weiterkommen, meint De Standaard. Viel wichtiger ist die Spielweise. Die Belgier sollten einfach nur ihren herzerfrischenden Offensiv-Fußball spielen. Wer in Schönheit ausscheidet, der wird immerhin noch zum "Weltmeister der Herzen".
In der Zwischenzeit erreicht die Begeisterung um die Roten Teufel jetzt einen neuen Höhepunkt. Die Zeitungen sind voll mit Menschen, die sich auf die unterschiedlichste Art und Weise auf das Spiel einstellen. "Belgien ist in Ekstase", analysiert Le Soir. Das Blatt versucht, dieses "teuflische Fieber" genauer auszuleuchten. Het Belang van Limburg hat eine Frittenbude gefunden, die speziell für die WM ein neues Menü kreiert hat: mit Paprika rot gefärbte Fritten in einem schwarzen Schälchen mit gelber Serviette.
Die Leitartiklerin von Het Nieuwsblad wendet sich in einem offenen Brief an die Roten Teufel: Ihr habt keine Ahnung, was hier los ist. Seit ihr gegen die USA gewonnen habt, steht das Land Kopf. Heute Abend zwischen 18:00 und 20:00 Uhr steht allein ihr im Mittelpunkt: Selbst Hochzeitsfeiern und sogar das Rockfestival Werchter müssen sich dem beugen. Macht uns stolz, meint Het Nieuwsblad. Aber ehrlich gesagt, das sind wir längst.
Rote Teufel schreiben Geschichte
Es gibt Ereignisse, die ganze Generationen prägen, bemerkt L'Avenir. Die Älteren unter uns wissen noch, wo sie waren, als John F. Kennedy ermordet wurde. Gleiches gilt auch für die Mondlandung. Der Belgier ab 40 erinnert sich noch sehr gut an den 25. Juni 1986, das berühmte Halbfinalspiel der Roten Teufel gegen Argentinien bei der WM in Mexiko. Und jetzt hat die neue Generation der Roten Teufel die Möglichkeit, sich auf gleiche Weise ins kollektive Gedächtnis einzuprägen. Wer weiß, vielleicht werden wir noch in 28 Jahren, im Jahr 2042, wissen, wo wir am 05. Juli 2014 waren.
"Es ist der Moment, um Geschichte zu schreiben", titelt auch Het Laatste Nieuws. Das ist ein Zitat von Trainer Marc Wilmots. De Standaard geht noch einen Schritt weiter: "Belgien Weltmeister", schreibt das Blatt - hinter "Belgien Weltmeister" steht aber immerhin noch ein Fragezeichen. Doch es sei Marc Wilmots gewesen, der das "W-Wort" als Erster in den Mund genommen habe, schreibt De Standaard.
Die Belgier und das Selbstbewusstsein
Das ist doch mal was ganz Neues, notiert dazu La Libre Belgique. Früher sprach man allenfalls von "les p'tits Belges", den "kleinen Belgiern", die sich fast schon dafür entschuldigen mussten, dass sie an der WM teilnehmen durften. Die heutige Mannschaft tritt da ganz anders auf. Selbst wenn wir am Ende von Argentinien geschlagen werden sollten, waren da selbstbewusste Belgier auf dem Platz, die den Gegner respektieren, aber nicht fürchten. Das sollten wir uns alle zu Herzen nehmen: Der Belgier sollte es mit seiner Bescheidenheit nicht übertreiben und sein Licht nicht unter den Scheffel stellen.
L'Echo sieht das ähnlich. Die sportlichen Erfolge der Roten Teufel werden das Land zwar nicht grundlegend verändern. Die Auswirkungen auf das Bruttoinlandsprodukt etwa dürften sich durchaus in Grenzen halten. Hier geht es aber um mehr, keinen Wirtschafts-, sondern einen Glücksindex nämlich. Die Roten Teufel sind nur Projektionsfläche für unsere eigenen Ängste und Wünsche. Und der Auftritt von selbstbewussten Belgiern könnte die Bevölkerung anstecken. Ein gesteigertes Selbstwertgefühl kann, zumal in Belgien, der Beginn einer großen Geschichte sein.
Het Laatste Nieuws schlägt in dieselbe Kerbe. Was diese Roten Teufel von all ihren Vorgängern unterscheidet, ist, dass sie nicht nur über das Talent, sondern auch über Selbstvertrauen verfügen. Und das ist nicht gespielt, auch kein Zeichen von Übermut. Nein, diese Jungs sind so, sie sind in gewisser Weise "natural born killers". Es liegt in ihrer Natur. Die Mannschaft profitiert hier auch von ihrer Vielfalt, der gesunden Mischung, die die Roten Teufel ausmacht.
Willkommene Klammer für uns ...
Für Le Soir und De Morgen ist diese WM jedenfalls eine willkommene Abwechslung, auch, um von dem innenpolitischen Trauerspiel abzulenken. Für einen Moment lang sind wir in einer anderen Welt, verschwindet der allgemeine säuerliche Pessimismus. Mit der Regierungsbildung, politischen Spielchen, den Ego-Trips, dem Postengeschacher, mit all dem können wir uns getrost auch später noch beschäftigen, meint De Morgen.
Stichwort "Regierungsbildung". Der König hat gestern die Mission von Informator Charles Michel um zehn Tage verlängert. Die Fronten haben sich bislang noch um keinen Millimeter verschoben. "Vor allem CD&V und OpenVLD blockieren", analysiert La Libre Belgique. Der OpenVLD-Politiker und neue Kammerpräsident Patrick Dewael gibt seinerseits in De Standaard der N-VA und der CD&V die Schuld an der Pattsituation.
... und auch für die Politik
Dewael hat gerade erst beschlossen, dass die Kammer erst im September ihre Arbeit aufnehmen wird. Das ist zu spät!, wettert De Standaard in seinem Leitartikel. Das Parlament hat genug zu tun. Eine Reihe von Akten aus der letzten Legislaturperiode ist liegen geblieben. Wie schon bei der 541-Tage-Krise sollte die Kammer nicht auf die Regierung warten, sondern selbst Probleme anpacken.
Die Koalitionsbildung kann jedenfalls noch eine Weile dauern, orakelt Het Belang van Limburg. Zum Glück, aus Sicht der Politik, startet heute auch noch die Tour de France. Mit der Fußball-WM gibt es also ab jetzt sogar zwei Ereignisse, hinter denen sich die Politik verstecken kann. In drei Wochen werden wir dann feststellen, dass sich unsere Politiker nicht um ihre Bürger kümmern, sondern nur um sich selbst.
Bild: Bruno Fahy/BELGA