“Bronze für Van Acker - die Borlées enttäuschen“, titelt De Standaard. “Evi Van Acker schenkt Belgien die dritte Medaille - die Gebrüder Borlée stehen mit leeren Händen da“, so die Schlagzeile von Het Belang van Limburg. “Van Acker überglücklich - die Borlées verpassen das Podium“, schreibt Gazet van Antwerpen.
Viele Titelseiten sind heute zweigeteilt. Auf der einen Seite hat Evi Van Acker aus Gent gestern im Segeln die Bronze-Medaille gewonnen. Die Borlée-Zwillinge Jonathan und Kevin gingen ihrerseits im 400 Meter Finale leer aus. Platz fünf und Platz sechs, damit blieben sie auch hinter ihren eigenen Erwartungen zurück.
“Was für eine Enttäuschung für die Borlées“, titelt denn auch L’Avenir. “Die Hoffnungen sind aber nur aufgeschoben“, bemerkt La Libre Belgique auf Seite eins. Denn: Es gibt ja noch die 4x400 Meter-Staffel. Herzstück sind hier auch die beiden Borlée-Brüder, und hier besteht durchaus noch Hoffnung auf eine Medaille. Heute lächelt jedenfalls Evi Van Acker von fast allen Titelseiten: “Van Acker rettet die belgische Ehre“, so die Schlagzeile von De Morgen. "Sie hat es verdient", lobt La Dernière Heure.
Gewalt gegen Polizisten
Zweites großes Thema sind die jüngsten Übergriffe auf Polizisten im Großraum Brüssel. La Libre Belgique fasst zusammen: “Polizisten angegriffen - Gewerkschaften wütend - Streiks angekündigt“. "Vier Mal werden Polizisten geschlagen, vier Mal bleiben die Täter unbehelligt", schreibt Het Laatste Nieuws. Begonnen hat alles letzte Woche in Vilvoorde, wo Polizisten zusammengeschlagen wurden. Später gab's ähnliche Vorfälle in den Brüsseler Gemeinden Anderlecht, Etterbeek und Brüssel-Stadt, auch da wurden Polizisten verletzt. Es sitzt aber kein Verdächtiger in Haft, beklagt Het Laatste Nieuws.
Da gibt es aber noch einen anderen Aspekt: "Unruhestifter locken die Polizei in die Falle", schreibt De Standaard. Offenbar gehen Jugendbanden in der Tat strategisch vor: die Polizei wird wegen eines banalen Zwischenfalls gerufen, einmal vor Ort werden die Beamten dann angegriffen. Für die Gewerkschaften jedenfalls ist das Maß jetzt voll: sie haben für September Streiks angedroht.
Die Justiz ist am Zug
Allen voran die liberale Polizeigewerkschaft schlägt jetzt mit der Faust auf den Tisch. Gewalt gegen Polizisten, das sei nun einmal nicht Teil des Jobs, sagt der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft, Vincent Gilles in Le Soir und La Libre Belgique. Die Justiz müsse ihrer Aufgabe gerecht werden. Grundprinzip müsse sein, dass ein Gewaltakt gegen einen Polizeibeamten keinesfalls ungesühnt bleiben dürfe.
Dem schließt sich Gazet van Antwerpen in ihrem Leitartikel an. Offensichtlich gibt es immer noch Bürgermeister in Brüssel, die das alles nicht so schlimm finden. Dabei artet die Gewalt in gewissen Vierteln längst in Stadt-Guerilla aus. Auch die Staatsanwaltschaften zeigen wenig Interesse für diese angeblich “kleine“ Kriminalität. Das Ganze stellt für Jugendbanden einen Freibrief dar. Die Staatsanwaltschaften und die Richter tragen hier eine erdrückende Verantwortung.
Het Laatste Nieuws macht das Ganze richtig wütend. Brüssel: Wo Homosexuelle zusammengeschlagen werden, wo Frauen als Hure beschimpft werden, wenn sie im Rock vor die Tür gehen, wo Polizisten bespuckt und geschlagen werden. In den Straßen von Anderlecht, Molenbeek oder Etterbeek findet in diesen Tagen auch so eine Art Olympiade statt: Bronze für denjenigen, der einen Polizisten provoziert, Silber für denjenigen, der den Polizisten ins Krankenhaus befördert, und Gold für denjenigen, der den Polizisten dazu bringt, seinen Job zu quittieren. Es wird höchste Zeit, dass sich die Justiz auf die Seite der Polizisten stellt. Geehrte zuständige Minister, geehrtes Gericht: Werdet bitte endlich wach.
Brüssel ist nicht Klein-Chicago
Homophobie, Sexismus, Gewalt: Brüssel darauf zu reduzieren, das ist nur die halbe Wahrheit, bemerkt demgegenüber Het Nieuwsblad. Natürlich muss mit aller Schärfe gegen diese Phänomene vorgegangen werden. Wenn inzwischen Jugendbanden sogar versuchen, rechtsfreie Zonen in Brüssel zu errichten, dann geht das definitiv zu weit. Wer aber glaubt, ein entschlossenes Auftreten, härtere Gesetze oder Nulltoleranz würden mit einem Mal alle Probleme lösen, der irrt sich. Die vermeintlich einfachen Lösungen machen sich aber besser am Vorabend von Kommunalwahlen.
Ähnlich sieht das De Morgen. Dass härtere Strafen uns von allen Geißeln der Stadtkriminalität erlösen können, ist eine Illusion. Man muss sich die betreffenden Viertel auch mal anschauen. Die Menschen dort werden buchstäblich ihrem Schicksal überlassen. In einigen dieser Gegenden ist nichts, rein gar nichts. Auf dem Gebiet der Hauptstadt gibt es etwa nicht ein einziges Freibad. Klar: Ein Schwimmbad schließt einen Übergriff auf einen Polizeiwagen nicht aus. Aber wer von einem Sprungbrett springt, der ist in dem Augenblick nicht in den Straßen, um dort auf krumme Gedanken zu kommen.
La Libre Belgique warnt davor, dass die Gemeinderatswahlen in puncto Stadtkriminalität wie ein Zerrspiegel wirken können. Kein Zweifel: Die Ereignisse der letzten Tage dürfen nicht toleriert werden. Sie rechtfertigen aber auch keine Horrorgeschichten mit rassistischem Anstrich. Die Politik und die Justiz müssen die Bedingungen schaffen, damit die Bürger in Frieden leben und die Polizisten ihren Job machen können. Dafür muss man aber nicht gleich in eine Massenpsychose verfallen.
De mortuis nil nisi bonum
Viele Zeitungen befassen sich noch einmal mit dem Tod von Michel Daerden. Fast alle Blätter bringen Reportagen aus dem Lütticher Raum, insbesondere aus Saint Nicolas und Ans. De Standaard blickt in seinem Leitartikel auf Michel Daerden und sein Wirken zurück. Eigentlich sagt der Lateiner: Über Tote nichts, außer Gutes. Und in der Tat: Michel Daerden war zweifelsohne nicht dumm. Er konnte einnehmend sein, galant, zuvorkommend. Er konnte aber auch allen Belgiern die Schamesröte ins Gesicht treiben, wenn er einen seiner legendären Auftritte insbesondere auf dem europäischen Parkett hinlegte. In Flandern und auch in Teilen des frankophonen Belgiens war Daerden eine Karikatur und zugleich der Inbegriff der wallonischen Krankheit. Und es steht zu hoffen, dass sein Tod gleichbedeutend ist mit dem Ende einer gewissen Ära.
Bild: Dirk Waem (belga)