"Regierung einigt sich auf Staatshaushalt", titelt das GrenzEcho. "Sire, wir haben ein Haushalt", schreibt De Morgen auf Seite eins. "Jeder wird etwas spüren – und wir sind noch nicht durch", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws.
Das Kernkabinett um Premierminister Bart De Wever hat sich auf einen mehrjährigen Haushalt geeinigt. Die Einigung am frühen Montagmorgen kam überraschend und ist heute das einzige Thema in den Leitartikeln.
Le Soir staunt: Die Welt steht auf dem Kopf. Ein flämisch-nationalistischer Premier, der die Finanzen des Landes saniert, um die Forderungen von Europa zu erfüllen. Ein Premierminister, der nicht davor zurückschreckt, den Bürgern die Wahrheit zu sagen, nämlich, dass jeder die Maßnahmen in seinem Geldbeutel spüren wird. Ein Premier, der drei bedeutende sozioökonomische Beschlüsse in weniger als einem Jahr durchbekommt, nämlich zur Arbeitslosigkeit, Rente und dem Haushalt. Bart De Wever hat das geschafft, woran seine Vorgänger gescheitert sind. Spürbare Sparmaßnahmen zu beschließen ohne Rücksicht auf seine Popularität. Wahrlich, die Welt steht auf dem Kopf, wundert sich Le Soir.
Ein großer Premier?
De Standaard bemerkt: Das Gespenst der großen Krise ist jetzt vom Tisch. Die Regierung von Bart De Wever steht jetzt da, wo sie hinwollte. Sie hat sich als Reformregierung bewiesen, obwohl die Reformen kleiner ausgefallen sind als ursprünglich geplant. Der Grund dafür ist, dass den einzelnen Parteien letztlich der Mut zum großen Wurf gefehlt hat, die kleinen Einzelforderungen eines jeden wichtiger waren als das große Ganze. Doch wie dem auch sei: Bart De Wever als flämischer Nationalist hat es tatsächlich geschafft, diese Haushaltssanierung von 9,2 Milliarden Euro durchzusetzen. Vielleicht schafft er es dadurch doch in die Reihe der großen Premierminister des Landes, überlegt De Standaard.
De Morgen stellt fest: Die Regierung beweist, dass sie etwas bewegen kann. Dass jetzt der Haushalt steht, ist natürlich eine tolle Sache. Zwei Nachteile allerdings trüben die Freude. Zum einen muss sich erst noch beweisen, dass die vielen Maßnahmen tatsächlich zu den erhofften Einsparungen führen. Zum anderen scheint jetzt auch klar, dass es eine grundlegende, großangelegte Steuerreform nicht geben wird. Denn dafür sind jetzt zu viele kleine, einzelne Maßnahmen bei verschiedenen Steuern entschieden worden. Das liegt auch an MR-Chef Georges-Louis Bouchez. Der entpuppt sich mittlerweile als der große Gegenspieler von Premier De Wever. Immer wieder stört er die Pläne des Premiers durch lautstarkes Gepolter von außerhalb der Regierung. Es wird interessant sein zu beobachten, wie dieses Duell sich weiter entwickeln wird, überlegt De Morgen.
Harte Realität
Das GrenzEcho analysiert: Ja, die Maßnahmen treffen breite Schichten. Höhere Abgaben auf Gas und Öl, eine Verdoppelung der Steuer auf Wertpapierkonten, eine straffere Kontrolle gegen Steuer- und Sozialbetrug oder die Begrenzung der Lohnindexierung oberhalb von 4.000 Euro brutto: All das wird spürbar wirken. Die Beispiele zeigen: Die Regierung setzt auf eine Vielzahl kleiner Eingriffe, die zusammen ein gewaltiges Sparvolumen ergeben. Das ist handwerklich solide, aber für viele Bürger schwer zu verdauen. Dass harte Jahre bevorstehen, ist längst keine Warnung mehr, sondern harte Realität, weiss das GrenzEcho.
L'Echo ist kritisch: An dem Deal, der jetzt beschlossen wurde, ist nichts Revolutionäres. Denn eigentlich ist es so wie immer: Die Maßnahmen sind so ausgeglichen und zahlreich, dass jeder der fünf Koalitionspartner irgendetwas Positives daran findet. Jeder ist zufrieden und kann etwas verkaufen. Richtig ist allerdings auch, und vielleicht ist das das Wichtigste: Die öffentlichen Finanzen werden tatsächlich saniert und wieder auf Kurs gebracht, freut sich L'Echo.
Euphorie fehl am Platz
La Libre Belgique berichtet: Selbst Bart De Wever gibt offen zu: Wirklich gut ist das, was beschlossen wurde, nicht. Wie könnte das auch anders sein, wenn auf der einen Seite zahlreiche strukturelle Maßnahmen beschlossen werden mussten, auf der anderen Seite aber die Befindlichkeiten von fünf unterschiedlichen Parteien berücksichtigt werden mussten? Die Regierung De Wever hat es nicht geschafft, sich aus der langen Tradition der kleinteiligen Kompromisse belgischer Regierungen zu lösen. Auch sie hat jetzt nur Entscheidungen treffen können, die niemanden zufrieden stellen, aber das Schlimmste verhindern, ärgert sich La Libre Belgique.
Ähnlich urteilt auch Het Laatste Nieuws: Jede Euphorie über diese Einigung von gestern ist fehl am Platz. Denn diese Haushaltspläne lösen die Probleme des Landes nicht. Zwar sollen jetzt 9,2 Milliarden Euro gespart und damit der Haushalt zum Teil saniert werden. Aber wird damit der Untergang wirklich aufgehalten, wenn das Haushaltsloch 2029 doch 30 Milliarden Euro betragen soll?, fragt rhetorisch Het Laatste Nieuws.
Kay Wagner