"Fast niemand ist wirklich begeistert über den Handelsdeal zwischen den USA und der EU", titelt De Standaard. "Erleichterung statt Euphorie", resümiert Het Belang van Limburg. "Einfuhrzölle: Eine 'Kapitulation' der EU Trump gegenüber?", fragt L'Avenir. "Eine schwer verdauliche Einigung für die Europäer", prangert Le Soir an. "Ein Abkommen, das die Schwäche Europas unterstreicht", liest man bei La Libre Belgique. "Ein Handelsabkommen, dass große Unsicherheit für die europäische Wirtschaft bedeutet", schreibt L'Echo. "Nicht sicher, dass der Handelsdeal mit den Vereinigten Staaten grünes Licht bekommen wird in Europa", so De Tijd.
Der Zollstreit zwischen den USA und der EU ist zumindest vorerst beigelegt, kommentiert das GrenzEcho. Europa habe das Schlimmste verhindert, so der Tenor. Aber der Preis für dieses Abkommen ist hoch. Politisch wie wirtschaftlich. Der vermeintliche Erfolg offenbart sich als strategische Kapitulation vor dem US-Präsidenten. Europa ringt Trump gegenüber um Stabilität, setzt auf Planbarkeit – und gibt dafür zu viel preis. Von entschlossener Gegenwehr war keine Spur. Die EU hatte ein Zollarsenal in der Hinterhand, setzte es aber nicht ein. Aus Angst, Trumps Zorn könnte eskalieren. Diese Strategie der Deeskalation mag kurzfristig klug erscheinen, langfristig ist sie riskant. Denn sie macht Brüssel erpressbar. Europa hat sich mit diesem Deal Zeit gekauft. Aber sie wird teuer bezahlt – mit politischen Zugeständnissen, wirtschaftlicher Unsicherheit und dem schleichenden Verlust an Souveränität. Was als Erfolg verkauft wird, ist in Wahrheit die schmerzhafte Erkenntnis: Die Zeiten des freien Handels sind vorbei. Und das neue Zeitalter wird von Donald Trump diktiert, so resigniert das GrenzEcho.
"The Art of the Deal"
Für die einen war es eine Blamage, für die anderen der beste Kompromiss, der drin war, fasst Het Belang van Limburg zusammen. Sicher ist jedenfalls, dass Europa hier keine Goldmedaille geholt hat. Aber wer jetzt behauptet, dass sich von der Leyen einfach über den Tisch hat ziehen lassen, ist zu kurzsichtig. Ohne Einigung wäre Europa in einen Handelskrieg hineingezogen worden, für den es nicht gewappnet ist. Von der Leyen hat sich, wenn auch zu einem sehr hohen Preis, für eine relative Ruhe entschieden. Das ist in jedem Fall besser als die apokalyptischen Szenarios, die uns sonst gedroht hätten. Und von der Leyen hat Europa auch Zeit erkauft, um das eigene Haus auf Vordermann zu bringen, meint Het Belang van Limburg.
Schon vor fast 40 Jahren hat Trump seine Verhandlungstaktik erklärt, erinnert La Dernière Heure. Nämlich in seinem Buch "The Art of the Deal", auf Deutsch "Die Kunst des Erfolgs". Man muss mit total überzogenen Forderungen in Verhandlungen gehen, um am Schluss mehr zu bekommen, als man mit einem vernünftigen Einstiegsgebot erreicht hätte. Das bringt einem höhere Gewinne und das Opfer glaubt am Ende auch noch, einen guten Deal bekommen zu haben. Genau das hat Trump jetzt auch mit Ursula von der Leyen gemacht, schreibt La Dernière Heure.
Stockholm-Syndrom
Der Auftritt von Trump mit von der Leyen für die Kameras war bevormundend und erniedrigend, findet Het Nieuwsblad. Europa mag zwar der größte Handelsblock der Welt sein, aber es hat sich Trump gegenüber wie ein zahnloser Tiger verhalten. Damit belohnt es auch noch die Erpressungs- und Einschüchterungstaktiken des Amerikaners. Die Europäische Union sieht jetzt wie ein Schoßhündchen aus, das den Vereinigten Staaten zu Füßen liegt. Psychologen würden das als typisches Stockholm-Syndrom bezeichnen, wettert Het Nieuwsblad.
Dieses Handelsabkommen ähnelt einer Kapitulation, schlägt La Libre Belgique in die gleiche Kerbe: Ursula von der Leyen ist vor Trump auf die Knie gegangen und hat im Gegenzug nichts erreicht. Wirklich gar nichts. Indem es der Erpressung durch Trump nachgegeben hat, erkennt Europa die neue Hierarchie an – eine Hierarchie, in der der Unvorhersehbare befiehlt und alle anderen sich beugen. Europa darf sich nicht einfach damit zufriedengeben, dass es weniger stark gedemütigt worden ist, als es erwartet hatte. Der Preis für Stabilität darf nicht konstante Unterwerfung sein. Wenn wir morgen wieder Gewicht haben wollen in dieser Welt, dann dürfen wir heute nicht zu Kreuze kriechen, giftet La Libre Belgique.
Europa hat viel Arbeit vor sich
Dieser Kompromiss, den Europa aus einer Position der Schwäche heraus erreicht hat, hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack, rekapituliert L'Avenir. Denn er zeigt auch, wie ungleich die Kräfteverhältnisse nach wie vor sind und wie tief gespalten die Union bleibt. Vor allem Deutschland und Italien waren aus Sorge um ihre Industrien nicht bereit für eine Konfrontation mit Trump – und Trump hat davon profitiert. Allerdings sollten wir uns keinerlei Illusionen machen, dass uns diese Einigung vor künftigen Angriffen des unvorhersehbaren US-Präsidenten schützen wird. Europa darf sich also nicht auf die Defensive beschränken. Es ist allerhöchste Zeit, mit einer Stimme zu sprechen, die eigenen strategischen Interessen zu verteidigen und eine Verhandlungsposition wiederzufinden, in der auf Augenhöhe miteinander gesprochen wird, fordert L'Avenir.
Die Europäer begreifen jetzt endgültig, wie sehr Trump sie im Würgegriff hat, fügt Gazet van Antwerpen hinzu. Das Höchste der Gefühle scheint zu sein, dass das Worst-Case-Szenario verhindert werden konnte, mehr aber eben auch nicht. Europa muss jetzt unbedingt daran arbeiten, nicht noch abhängiger zu werden von den Vereinigten Staaten. Zum Beispiel durch den Ausbau von Handelsbeziehungen zu anderen Ländern. Am liebsten natürlich Ländern, die von Menschen geführt werden, die nicht so unvorhersehbar sind wie Trump, und die verstehen, dass beide Seiten von einer wirtschaftlich gesunden Zusammenarbeit profitieren müssen, unterstreicht Gazet van Antwerpen.
Boris Schmidt