"Trump triumphiert gegenüber den Europäern", titelt La Libre Belgique. "Trump genießt seinen Triumph", schreibt Le Soir auf Seite eins.
US-Präsident Donald Trump hat sich durchgesetzt. Beim Nato-Gipfel in Den Haag haben sich insbesondere die Europäer dazu verpflichtet, ab spätestens 2035 insgesamt fünf Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts in ihre Verteidigung zu investieren. "Das war ein Gipfel für die Geschichtsbücher", so denn auch die Schlagzeile von De Morgen. Denn: "Die USA und Europa sind wieder Nato-Freunde", notiert Het Nieuwsblad. De Standaard ist präziser: "Donald Trump stellt sich wieder voll hinter die Nato und auch Artikel 5". Das Alles hat aber seinen Preis. Für Belgien ist das neue Ausgabenziel eigentlich unrealistisch. "Das wird eine sehr komplizierte Aufgabe", zitiert Het Laatste Nieuws den belgischen Premier Bart De Wever. "Belgien startet 'Marathon' zum Nato-Ziel", so formuliert es das GrenzEcho.
"Happy Daddy" Trump
Die Strategie von Nato-Generalsekretär Mark Rutte ist also aufgegangen, analysiert Het Belang van Limburg in seinem Leitartikel. Der Niederländer hatte wirklich alle Register gezogen, um Donald Trump bei Laune zu halten. Das Gesülze ging so weit, dass Rutte den US-Präsidenten allen Ernstes "Daddy" nannte. Um Trump "happy" zu machen, sind offensichtlich wirklich alle Mittel recht. Aber, seien wir ehrlich: Allzu arrogant durften die Europäer in Den Haag nun auch nicht auftreten; dafür sind wir einfach zu abhängig von den USA. Am Ende hat es Rutte jedenfalls geschafft, bei Trump wieder Enthusiasmus für die Nato zu wecken. Vorerst. Bis er womöglich merkt, dass einige Staaten es mit dem Fünf-Prozent-Ziel doch nicht so ernst gemeint haben.
Nach dem Nato-Gipfel von Den Haag warten jetzt drei große Aufgaben auf die Allianz und ihre Mitglieder, glaubt De Tijd. Erstens: Jetzt muss das Geld gefunden werden. Länder wie Belgien, die ohnehin schon hochverschuldet sind, stehen da vor einem echten Problem. Wir kennen jedenfalls jetzt schon eins der zentralen Wahlkampfthemen für 2029. Zweitens: Die Europäer müssen dringend über eine gemeinsame Strategie nachdenken, damit die Länder nicht ihr eigenes militärisches Süppchen kochen und stattdessen an einem Strang ziehen. Und die dritte Aufgabe ist wohl die komplizierteste: Man muss weiterhin mit dem wankelmütigen Donald Trump umgehen. Dank der Streicheleinheiten von Mark Rutte ist es in Den Haag nochmal gutgegangen. Aber, nicht vergessen: Am 9. Juli läuft die Schonfrist ab und könnte der US-Präsident schon wieder seine Zollkeule auspacken. Bei Trump weiß man eben nie.
Alles nur eine Frage der Interpretation
Das galt im Grunde auch schon in Den Haag, ist Le Soir überzeugt. Alle europäischen Schmeicheleien und all der von Trump zur Schau gestellte Enthusiasmus konnten die graue Realität doch nicht ganz verschleiern. Oder hat man übersehen, wie der US-Präsident mit Spanien umgesprungen ist? Weil die Regierung in Madrid sich nicht bedingungslos seinem Fünf-Prozent-Diktat gebeugt hat, sprach er gleich wieder wüste Drohungen aus. Trump hat die Nato in Den Haag regelrecht nach seiner Pfeife tanzen lassen. Wobei: Den Europäern dürfte gestern wieder klar geworden sein, dass sie auch ein eigenes Interesse haben an der Stärkung ihrer Verteidigung. Trump hat Putin schließlich seinen "Freund" genannt.
La Libre Belgique sieht das ähnlich. Noch kurz vor seiner Abreise nach Den Haag hat der US-Präsident erklärt, dass Artikel fünf, also die Nato-Beistandsklausel, eine Frage der Interpretation sei. Selbst beim Nato-Gipfel konnte Trump seine Geringschätzung für die Nato und die EU sowieso kaum verbergen. Mit der viel gerühmtem "transatlantischen Solidarität", kann es also sehr schnell vorbei sein. Das jetzt festgelegte Fünf-Prozent-Ziel kann also letztlich auch dazu dienen, die Europäer auf eine Zeit vorzubereiten, in der sie selbst für ihre Verteidigung sorgen müssen, ohne die Amerikaner.
Kein naives Spekulieren auf eine bessere Welt
Die belgische Delegation hat den gestrigen Nato-Gipfel ihrerseits im Wesentlichen 'ertragen' müssen, konstatiert Gazet Van Antwerpen. Premier De Wever hatte gar keine andere Wahl, als sich der Fünf-Prozent-Norm zu beugen, wohl wissend, dass das für ein Land, das ohnehin schon vor einem abgrundtiefen Haushaltsloch steht, der reine Selbstmord ist. Die stille Hoffnung in der Rue de la Loi ist wohl, dass am Ende doch nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird. 2029 sollen die Ausgabenziele nochmal überprüft werden im Lichte der dann aktuellen Sicherheitslage. Und wer weiß? Vielleicht liegt dann der russische Präsident Putin still auf einem Sankt-Petersburger Friedhof und hat eine gemäßigte Figur seinen Platz im Kreml eingenommen. Im schlechtesten Fall hat sich aber ein nationalistisch aufgeladenes Russland bis dahin militärisch erholt und steht waffenstarrend an den EU-Grenzen. Das nur um zu sagen: Man sollte vielleicht doch nicht allzu naiv auf eine bessere Welt spekulieren.
Fünf-Prozent-Ziel als Hebel für eine Kapitalertragsteuer?
All das kann sich aber auch als – im wahrsten Sinne des Wortes – 'innenpolitischer Treibstoff' erweisen, glaubt Het Nieuwsblad. Schon das Erreichen des Zwei-Prozent-Ziels hat die budgetären Probleme der Arizona-Koalition noch einmal drastisch verschärft. Statt – wie versprochen – den Haushalt zu sanieren, hat man das Defizit sogar noch vergrößert. Die flämischen Sozialisten Vooruit sehen darin jetzt einen Grund mehr, endlich die von ihnen geforderte Kapitalertragssteuer einzuführen. Und sie bekamen da gleich Unterstützung von CD&V und Les Engagés.
Für zusätzliche Munition sorgte dann noch die Nationalbank, die festgestellt hat, dass die Einkommensungleichheit in Belgien zunimmt. All das sollte doch jetzt auch den Chef-Quertreiber Georges-Louis Bouchez endlich überzeugen. Deswegen der Appell: Holt diese Kuh endlich vom Eis! Einigt euch auf eine Kapitalertragssteuer, die diesen Namen auch verdient! Bevor der finanzielle Schaden noch größer wird.
Roger Pint