"EU-Skeptiker übernimmt Amt: Rechts-konservativer Karol Nawrocki wird neuer Präsident in Polen", titelt das GrenzEcho. "Ein urkonservativer Historiker mit einer Hooligan-Vergangenheit: Wer ist Karol Nawrocki, der neue polnische Präsident", liest man auf Seite eins von De Standaard. "Die Präsidentschaftswahlen spalten Polen zutiefst", hält De Morgen fest. "Polen: Das Überleben der Regierung steht auf dem Spiel", so Le Soir. "Wird sich Polen unter seinem neuen Präsidenten von der Europäischen Union entfernen?", fragt L'Echo.
Mit 50,89 Prozent der Stimmen war es ein äußerst knapper Sieg, aber gewonnen ist gewonnen, kommentiert L'Avenir den Wahlsieg von Karol Nawrocki. Dass es so eng wurde, das unterstreicht auch einmal mehr, wie tief gespalten Polen ist. Der Sieg Nawrockis ist auch ein echter Schlag für Premierminister Donald Tusk. Denn der neue Präsident wird ausgiebigen Gebrauch machen von seinem Vetorecht, um Tusks geplante progressive und pro-europäische Reformen zu blockieren. Nawrockis Erfolg illustriert aber auch eine breitere, beunruhigende Tendenz: Der Einfluss von Donald Trump auf die europäischen Führer wird immer größer. Denn Trump hatte Nawrocki offen unterstützt. Das hat System: Trump und sein Gefolge wollen Europa umbauen, siehe auch Ungarn, Italien und die Slowakei. Diese Entwicklungen sind ein Weckruf, sie zeigen, dass sich Europa und seine demokratischen Verteidiger mobilisieren müssen. Denn hier stehen das europäische Projekt und unsere Werte auf dem Spiel, warnt L'Avenir.
Die Zerstörung der europäischen Demokratie
Nawrockis Sieg war ein Schlag in die Magengrube, stöhnt Le Soir. Zum einen für die Polen selbst. Denn viele von ihnen hatten auf einen Wiederaufbau des Rechtsstaats gehofft und auf die Wiederherstellung verloren gegangener Rechte wie zum Beispiel dem Recht auf Abtreibung. All das wird der neue rechts-konservative Präsident jetzt blockieren können. Es ist aber auch ein furchtbarer Schlag für die Europäische Union, denn Polen ist zu einem der drei großen Pfeiler der Union geworden neben Deutschland und Frankreich. Polen ist essenziell für den europäischen Widerstand gegen Putins Russland. Dass die resolut pro-europäische demokratische Regierung jetzt in Bedrängnis gerät, setzt auch Europa unter Druck – ein Druck, wie wir ihn seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt haben. Nawrocki in Polen, Orbán in Ungarn, Fico in der Slowakei, Meloni in Italien und möglicherweise bald wieder Babis in Tschechien – die Nationalisten, Rechtsextremen und Populisten sind auch dank Trump auf dem Vormarsch. Stück für Stück wird die europäische Demokratie zerstört, sowohl von innen als auch von außen, so das düstere Fazit von Le Soir.
Maximaler Druck auf Putin
La Dernière Heure greift den spektakulären ukrainischen Angriff auf russische Luftwaffenstützpunkte auf: Ausgeklügelt, chirurgisch, hyper-rentabel – die ukrainische "Operation Spinnennetz", die in ihrer Ausführung schon fast an James Bond erinnerte, könnte sich als "Game Changer" erweisen und wird schon jetzt als "historisch" eingestuft. Es ist den Ukrainern gelungen, tiefer denn je auf russisches Gebiet vorzudringen und dabei ein Drittel der russischen Langstreckenbomberflotte unschädlich zu machen, mit denen Russland Raketen auf die Ukraine abfeuert. Jetzt ist allerdings die Frage, wie Russland auf diese riesige Demütigung reagieren wird, gibt La Dernière Heure zu bedenken.
"Operation Spinnennetz" war nicht einfach nur eine weitere Episode des Krieges, stellt La Libre Belgique klar: Vielleicht war der Angriff sogar ein Wendepunkt oder ein Bruch. Denn zum ersten Mal seit Beginn des russischen Angriffskriegs hat die Ukraine tief im Gebiet des Aggressors koordiniert und strategisch die russische Luftwaffe angegriffen. Das kann im wahrsten Sinne des Wortes explosive Folgen haben. Zum einen zeigt die Ukraine damit, dass sie nicht mehr gewillt ist, sich bei der Verteidigung gegen die Russen auf eigenes Territorium zu beschränken. Die Ukraine hat auch gezeigt, dass sich die Invasoren nirgends mehr sicher fühlen und verstecken können. Gleichzeitig treibt Kiew Moskau damit aber in die Enge und übt maximalen Druck auf Putin aus. Und ein verletztes Tier wird dadurch nicht ungefährlicher, betont La Libre Belgique.
Wir sollten uns keinen Illusionen hingeben
Der erfolgreiche Angriff auf die russischen Luftwaffenstützpunkte war in vielerlei Hinsicht symbolisch, schreibt De Morgen: Die Ukraine zeigt den russischen Aggressoren damit, dass sie durchaus noch in der Lage ist, enormen Schaden anzurichten. Sie zeigt den westlichen Verbündeten auch einmal mehr, wie wacklig Putins Position in Wahrheit ist und dass er ins Wanken gebracht werden kann. Gleichzeitig zeigt Selenskyj seiner eigenen erschöpften Bevölkerung auch, dass immer noch Erfolge möglich sind. Einige warnen jetzt davor, dass das Russland zwingen wird weiter zu eskalieren. Aber das ist nicht wirklich ein Argument, denn Russland eskaliert schon lange und terrorisiert täglich ukrainische Bürger mit seinen Drohnen. Die Ukraine schlägt nur zurück – mit den Waffen, die sie hat. Aus westlicher Sicht ist es deshalb schwierig, etwas anderes als Sympathie zu empfinden für den ukrainischen David im Kampf gegen den russischen Goliath. Die Ukraine ist unser Verbündeter und verdient Applaus für ihre Gewieftheit und ihren Mut. "Operation Spinnennetz" soll der russischen Luftwaffe die schwersten Verluste seit dem Zweiten Weltkrieg zugefügt haben. Das sollte man auf gar keinen Fall herunterspielen. Wir sollten allerdings auch nicht die moralischen Fragen ignorieren. Und wir sollten uns nicht der Illusion hingeben, dass nur die "Guten" in Zukunft diese Art hochtechnologisierter Angriffe durchführen werden, befürchtet De Morgen.
Boris Schmidt