"Frieden gegen Erz? Die vage Übereinkunft zwischen Trump und Selenskyj", titelt La Libre Belgique auf Seite eins. "Rohstoff-Deal wird Realität", meldet das GrenzEcho. "Der große Kuhhandel", schreibt Le Soir. "Der Rohstoff-Deal muss nicht negativ ausfallen für die Ukraine", so De Standaard, Het Belang van Limburg formuliert es sehr ähnlich.
Die Ukraine hat nachgegeben, rekapituliert De Standaard in seinem Leitartikel: Selenskyj wird Trumps Deal unterschreiben. Mit diesem Deal beschlagnahmen die Vereinigten Staaten die Hälfte von allen Bodenschätzen, Öl und Gas, die künftig in der Ukraine gefördert werden. Und obendrauf auch noch von den Einkünften aus den Häfen, über die die Rohstoffe exportiert werden. Im Gegenzug geben die Amerikaner den Ukrainern im besten Fall vage Sicherheitsgarantien. Die Hoffnung Selenskyjs ist, dass die Amerikaner ihre Minen schützen werden - und dadurch vielleicht eben auch die Ukrainer. Um Letzteres sollen sich nach Trumps Vorstellungen aber die Europäer kümmern - genauso wie um den Wiederaufbau des von den Russen verwüsteten Landes. Spätestens mit dem Abstimmungsverhalten der Vereinigten Staaten in der UN ist auch die transatlantische Scheidung vollzogen: Die USA haben sich offiziell auf die Seite Russlands, Nordkoreas und des Sudans gestellt. Europa hat keine andere Wahl, als sich wiederzubewaffnen und mit dem, was vom Westen noch übrig ist, ein neues Bündnis auf die Beine zu stellen. Mit vor allem einem Ziel: sich gegen Tyrannei zu wehren und die liberale Demokratie zu schützen. Die Geschichte lehrt, wie wichtig das für Europa ist - und welche Kräfte es mobilisieren kann, unterstreicht De Standaard.
Putins Russland bleibt eine Gefahr für ganz Europa
Ein Paradigmenwechsel folgt auf den nächsten, kommentiert L'Avenir: Nachdem die Russen in die Ukraine eingefallen sind, ist das Land zu unserem Verbündeten geworden. Europa kann sich bei seiner militärischen Verteidigung nicht mehr auf eine Unterstützung durch die Vereinigten Staaten verlassen. Europa muss also wieder in seine Verteidigung investieren - selbst auf Kosten anderer Bereiche. Davon könnte besonders auch die Wallonie profitieren, wo ja ein Großteil der belgischen Rüstungsindustrie angesiedelt ist. Ein Fehler, der aber auf jeden Fall vermieden werden muss, ist, die Wiederaufrüstung einzustellen, wenn Frieden einkehrt in der Ukraine. Denn Putins Russland ist und bleibt eine Gefahr für ganz Europa. Und Trumps Amerika hat deutlich gemacht, dass wir selbst unsere Sicherheit garantieren müssen, warnt L'Avenir.
Ein politischer und gesellschaftlicher Kraftakt
Die globale sicherheitspolitische Lage ist so unübersichtlich und angespannt, dass Belgien kaum eine andere Wahl bleibt, als in den kommenden Jahren massiv in die Landesverteidigung zu investieren, so das GrenzEcho. Eines steht fest: Die Aufrüstung wird teuer - sehr teuer. Das ist eine enorme Belastung für ein Land, das eigentlich zu einem strikten Sparkurs verpflichtet ist. Doch so schmerzhaft die Einschnitte sein mögen - der Druck von außen ist riesig. Belgien wird es sich nicht leisten können, sicherheitspolitisch weiter zu zaudern. Die Zeiten, in denen Verteidigungsausgaben als nachrangig betrachtet wurden, sind vorbei. Nun gilt es, einen schwierigen Balanceakt zu meistern: Den Bündnisverpflichtungen nachzukommen, ohne dabei die soziale und wirtschaftliche Stabilität zu gefährden. Ein politischer und gesellschaftlicher Kraftakt, dessen Ausgang absolut ungewiss ist, meint das GrenzEcho.
Der Clean Industrial Deal lässt viele Fragen offen
Die meisten anderen Leitartikel befassen sich mit dem sogenannten "Clean Industrial Deal", den die EU-Kommissionsvorsitzende Ursula von der Leyen gestern in Antwerpen vorgestellt hat: Der Plan der Kommission sieht hundert Milliarden Euro vor, um die Industrie grüner zu machen, fasst De Tijd zusammen, außerdem soll er staatliche Subventionen einfacher machen und verspricht einen Bürokratieabbau. Zu früh kommt dieser Plan auf gar keinen Fall, im Gegenteil: Die europäische Industrie droht, den doppelten Schock von Klimawende und geopolitischer Brutalität nicht zu überleben. Damit unsere Industrie eine Überlebenschance hat, müssen beide Kosten bezahlt werden - die für das Klima und die für die geopolitische Widerstandsfähigkeit. Der "Clean Industrial Deal" ist also ein notwendiger Schritt in die richtige Richtung. Aber wichtige Fragen bleiben unbeantwortet. Zum Beispiel, wie die Energiepreise gesenkt werden sollen. Oder wer die grüne Rechnung am Ende bezahlen soll, kritisiert De Tijd.
Die gute Nachricht ist, dass es den "Clean Industrial Deal" gibt, hebt Het Belang van Limburg hervor. Ein Wundermittel ist er aber ganz sicher nicht. Und es bleiben viele Fragen. Etwa, ob die gerade mal hundert Milliarden Euro reichen werden für die gesetzten Ziele. Oder ob es hier um frisches Geld geht oder nur um eine Umverteilung von Mitteln. Wie will die EU-Kommission die Energiepreise für Betriebe und Haushalte drücken, wo Energie hier selbst unbesteuert fünf Mal teurer ist als in den Vereinigten Staaten und China? Wie weit ist die EU bereit zu gehen im Wettlauf mit amerikanischen und chinesischen Staatssubventionen für Betriebe? Insbesondere, ohne dabei die wirtschaftliche Schieflage zwischen einzelnen Mitgliedsstaaten weiter zu verschärfen? Auf all diese Fragen haben wir bisher keine Antworten erhalten, beklagt Het Belang van Limburg.
Der neue Wirtschaftspakt mag vieles sein, schreibt L'Echo, aber eines ist er ganz sicher nicht: spektakulär. Die Wahrheit ist, dass die EU-Kommission kaum frisches Geld auf den Tisch legt und vor allem auf private Investoren setzt. Aber das ändert nichts daran, dass die EU den richtigen Kurs einschlägt. Die große Maschine Europa beweist, dass sie flexibel sein kann - und sie gibt Industrie und Investoren konkrete Garantien. Jetzt ist es an ihnen, diese Chance zu ergreifen und zu zeigen, dass sie dieser Herausforderung gewachsen sind. Europa hat aber ohnehin keine Wahl: Entweder wir haben eine dekarbonisierte industrielle Zukunft oder gar keine, mahnt L'Echo.