"Vooruit lässt 'Arizona' platzen – Bart De Wever bleibt vorerst 'Formateur'", titelt das GrenzEcho auf Seite eins. "König nimmt Rücktritt (noch) nicht an: noch eine letzte Woche für De Wever", hebt Het Laatste Nieuws hervor. "Die Chance für Arizona scheint verpasst – ein bisschen Aufschub für De Wever, Schwarzer Peter für Rousseau", fasst De Morgen zusammen. "Welche Alternativen gibt es zur Arizona?", fragt L'Echo. "Die Arizona ist gescheitert, die Open VLD ist die einzige Chance", so Le Soir.
Die Verlockung ist immer groß, die Schuld für ein Scheitern einer Seite zuzuschieben, merkt Het Belang van Limburg in seinem Leitartikel an. In diesem Fall den flämischen Sozialisten von Vooruit und ihrem Chef Conner Rousseau. Aber das wäre zu einfach. Die anderen Parteien haben immer gewusst, dass Rousseau als einziger linker Vorsitzender in der geplanten Arizona-Koalition in der Zwickmühle sitzen würde. Die "Super-Note", die Rousseau letzten Endes torpediert hat, ist und bleibt ein Mitte-Rechts-Werk. Das ist auch nur logisch angesichts der Wahlergebnisse. Aber trotzdem hätten Bart De Wever und Georges-Louis Bouchez mehr tun können, um Rousseau zu überzeugen, meint Het Belang van Limburg.
Keine einfachen Alternativen
Conner Rousseau hat gestern in zig Interviews versucht, den Schwarzen Peter von sich zu weisen, hält Gazet van Antwerpen fest. CD&V-Chef Sammy Mahdi hat gleich einen langen offenen Brief geschrieben mit bitteren Vorwürfen gegen sein Vooruit-Pendant. Aber so viel Lärm es aus der einen Ecke gibt, desto stiller bleibt es in einer anderen: Bart De Wever schweigt. So wie er es als Regierungsbildner auch tun sollte. Dadurch wissen wir nicht, warum er nicht flexibler war mit seinem Eckpunktepapier oder was er wirklich über Rousseau denkt. Aber er scheint noch nicht wirklich mit seinem Latein am Ende zu sein, so Gazet van Antwerpen.
Die Arizona ist noch nicht begraben, aber wohl hirntot, stellt Het Nieuwsblad fest. Das große Problem war von Anfang an zu große Euphorie, die Hoffnungen, nach dem 9. Juni schnell eine föderale Regierung bilden zu können waren einfach überzogen. Allein schon, weil mit Conner Rousseau und Georges-Louis Bouchez zwei absolut unverträgliche Elemente gemeinsam am Tisch sitzen. Noch hat wohlgemerkt keine der Parteien öffentlich den Stecker ziehen wollen. Rousseau hat dafür gute Gründe: In den bisherigen "Super-Noten" De Wevers war zu wenig drin für Vooruit. Und Rousseau weiß: Der Traum von Bouchez, die Sozialisten durch die Open VLD zu ersetzen, ist eine Totgeburt. Wenn der MR-Chef wirklich glaubt, dass so etwas zu einer lebensfähigen Regierung führen könnte, dann stimmt etwas nicht mit seinem Urteilsvermögen, giftet Het Nieuwsblad.
Es gibt im föderalen Parlament keine einfachen Alternativen zu einer Arizona-Koalition, bringt es De Tijd auf den Punkt. Und die wirtschaftlichen Umstände lassen keinen Spielraum für eine weitere weltrekordverdächtig lange Regierungsbildung. Vor diesem Hintergrund macht die Entscheidung des Königs Sinn, De Wevers Mission um eine Woche zu verlängern. Wenn sich Plan A festfährt, ohne dass es einen wirklichen Plan B gibt, dann ist es einfach am besten, es weiter zu versuchen, appelliert De Tijd.
Chance vertan
Der Zeitpunkt für eine föderale Verhandlungskrise ist denkbar schlecht gewählt, kommentiert De Standaard: Die Staatsfinanzen sind bekanntermaßen in einem prekären Zustand. Belgien hat allerdings das Glück, dass es sich bisher trotzdem noch relativ günstig Geld leihen konnte. Diese Gnadenfrist könnte nun aber brutal enden, falls Donald Trump die US-Präsidentschaftswahl gewinnen sollte. Denn mit ihm drohen der Welt und Europa finanzielle Instabilität, Chaos und Unsicherheit. In solchen Krisen flüchtet Geld immer in sichere Häfen. Und Belgien ist kein solcher sicherer Hafen. Die Chance, um das zu ändern, bevor Trump seinen Sturm entfesselt, ist vertan worden, prangert De Standaard an.
Wir sind alle Geiseln des großen Duells zwischen Donald Trump und Kamala Harris, schreibt La Dernière Heure. Die Ukraine, die Nato, vielleicht sogar unsere Wirtschaft könnten ins Wanken geraten, wenn Trump wieder ins Weiße Haus einzieht. Aber ein Sieg von Harris wäre für Europa kein uneingeschränkter Glücksfall. Auch sie hat eigentlich keine andere Wahl, als den Kurs Amerikas weiterzufahren. Und die USA isolieren sich immer weiter, sie sind besessen von der Wahrung ihrer Interessen, von China und den eigenen, tiefen gesellschaftlichen Gräben, analysiert La Dernière Heure.
"America First"
Mit dem Ausgang der Wahl wird auch die internationale Politik neu justiert, unterstreicht das GrenzEcho. Die USA werden – ganz gleich, wer ins Weiße Haus einzieht – künftig ihre eigenen Interessen in den Vordergrund stellen – (noch) mehr, als dies unter Joe Biden der Fall war. Für die Welt bedeutet dies, Europa und andere Partner müssen sich auf ein Amerika einstellen, das nur dann global handelt, wenn es dem eigenen Vorteil dient. Die großen internationalen Bündnisse werden mehr denn je auf dem Prüfstand stehen – und das nicht nur durch Trump, sondern auch durch eine Harris-Regierung. "America First" wird die Marschroute des kommenden US-Präsidenten sein. Die entscheidende Frage wird sein, wie dieser Leitsatz im Detail ausgelegt wird, hebt das GrenzEcho hervor.
Was wir in Europa über Harris oder Trump denken, das spielt keine Rolle für den Wahlausgang in den Vereinigten Staaten, betont De Morgen. Deshalb sollten wir uns die Worte des anderen Donald zu Herzen nehmen. Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk hat gesagt, dass die Zukunft Europas nicht von Trump oder Harris abhänge, sondern vor allem von uns selbst. Allerdings nur, wenn Europa endlich erwachsen werde und an seine eigene Stärke glaube. Wer die Wahl in den USA auch gewinne, die Zeit des geopolitischen Outsourcings sei vorbei, so Tusk. Das ist in der Tat das Vernünftigste, was man als europäischer Außenstehender über die US-Wahlen sagen kann, findet De Morgen.
Boris Schmidt